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Donnerstag, 15. Mai 2014
Hotel Beograd

Große alte Hotels umgibt oft ein Nimbus, von dem sie lange zehren. Man denke nur an das Negresco in Nizza oder ans Raffles in Singapur. Werden sie doch irgendwann geschlossen, weht ihnen etwas Mythisches nach, das sich immer weiter von ihrer vergangenen Wirklichkeit und den langsam verschimmelnden Teppichen, einstürzenden Dächern und bröckelnden Mauern entfernt. So ergeht es auch dem Hotel Beograd an der kroatischen Westküste Istriens.

Wir kamen spätnachmittags aus den Bergen herab, die Sonne tauchte gerade unter einer dunkelgrauen Wolkendecke hervor, übergoss alles mit sonnenblumengelbwarmem Licht, die Zypressen warfen lange, bleistiftdünne Schatten. Es war trotz des nahenden Abends spürbar wärmer als oben in den Bergen. Eine Gruppe junger Leute lag in Badesachen auf der Zementplatte am Ufer, die langsam zu Strand zerbröckelte. Einer der Jungen kam gerade aus dem Wasser. Die Tropfen, die er abschüttelte, stanzten Lochreihen in den sonst makellos glatten Silberspiegel der Adria. Hinter einem mit Planen verhängten Zaun ertönte das regelmäßige ‟plopp”, ‟plopp” von Tennisbällen auf Asche, das Geräusch sterbenslangweiliger Ferienanlagen. Die Rasterfassaden einiger Betonkästen aus den frühen Achtzigern hielten förmlich Abstand und bedeckten ihre unteren Geschosse schamhaft mit fadenscheinigen Kiefernwipfeln. Ganz vorn auf der äußersten Landspitze hatte sich ein kleines, geducktes Strandcafé eingerichtet, das auf einem DDR-Campingplatz hätte stehen können. Und daneben, von einem löcherigen Bauzaun umgeben, die Herrin, die einmal die ganze Landzunge allein beherrschte. Eine kaum gegliederte, ehemals gründerzeitweiße Fassade, Mittelteil, zwei Flügel, je drei Fenster, macht neun in einer Reihe, mal drei Geschosse, macht 27, noch mal so viel auf der Seeseite. Das reicht für ein exklusives Sternehotel. Das Diadem einer umlaufenden Balustrade mit Fries auf dem Dach trug es wie eine Krone, aus der ihm noch kein Zacken gefallen war.

Wer hier in seinen guten Zeiten ein und aus gegangen sein mag? Bestimmt herrschte einmal ‟… kolossaler Betrieb. Immer ist was los. Einer wird verhaftet, einer geht tot, einer reist ab, einer kommt. Den einen tragen sie per Bahre über die Hintertreppe davon, und zugleich wird dem anderen ein Kind geboren...” Vicki Baum, Menschen im Hotel (1929) – ‟Die Drehtür als Schicksalsrad”, wie der Kritiker Werner Fuld titelte. Na ja, Joan Crawford und Greta Garbo werden nicht unbedingt durch die Drehtür des Beograd geschritten sein; nicht einmal Sonja Ziemann. Aber es war eindeutig lange das erste Haus am Platz. Bis die Kriege Jugoslawien zerrissen. Da wurde es zum Auffanglager für Flüchtlinge. Seitdem sie anderweitig eine hoffentlich dauerhaftere Bleibe gefunden haben, steht das Beograd leer und verfällt. Es heißt, die Besitzverhältnisse seien ‟ungeklärt”, denn bis zur Unabhängigkeit Kroatiens (und juristisch wohl bis heute) gehörte es Serben.
‟Gott weiß, was für Wunder Sie erwarten von so einem Hotel. Sie werden schon merken, was los ist. Das ganze Hotel ist ein dummes Kaff. Genau so geht’s mit dem ganzen Leben. Das ganze Leben ist ein dummes Kaff, Herr Kringelein. Man kommt an, man bleibt ein bisschen, man reist ab, Passanten, verstehense. –
Menschen kommen, Menschen gehen. Nie passiert etwas.“

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