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Freitag, 24. Mai 2013
Im Regenwald der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze



Junge, Junge, so gründlich ins Wasser gefallen wie in diesem Jahr ist Pfingsten noch selten. Die Freunde in Stade, die ich im Anschluß besuchte, waren hektisch damit beschäftigt, im Hausflur Eimer und Wannen aufzustellen, weil der nicht endende Dauerregen das Grasdach auf dem Vorbau durchgeweicht hatte und es gleich an mehreren Stellen durch Fugen und Ritzen tropfte. Plock, plock, plock, klopfte es wie ein schnelles Metronom in die zunächst leeren Behälter und ging dann mit steigendem Wasserstand in ein etwas weicheres, aber nicht langsameres plopp, plopp über; eine kleine Wassermusik, die mich in den Schlaf begleitete, die Hausherrn aber mehrmals in der Nacht aufstehen und Eimer und Schüsseln leeren ließ.

Dabei ist Pfingsten seit vielen Jahren das fixe Datum unseres erweiterten Familientreffens. Turnusmäßig fand es dieses Jahr wieder in Norddeutschland statt, nur hatte niemand damit rechnen wollen, daß sich auch ein sehr ergiebiges Regentief einfinden und genau über unseren Köpfen dauerhaft installieren würde. Die vor allem für unsere Senioren geplante Kaffeefahrt mit dem Ausflugsdampfer auf der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze fiel deswegen natürlich nicht aus, wurde aber zu einer sehr feuchten Reise durch nässedampfenden Regenwald bei gar nicht tropischen Temperaturen.

Die Senioren focht es am wenigsten an. Tante Irrmgard (man muß sie so schreiben) hockte mit ihren 92 Jahren in signalroter Steppjacke und unter dem GoreTex-Kompotthütchen in den Regen blinzelnd stoisch an Deck.
Die gebietende Macht alter Frauen über die Launen des Wetters ist hinlänglich bekannt, in vielen Sagen und Märchen wird das Wissen um ihre Hexenkünste überliefert. Und so praktizierte auch Tante Irrmgard, die Lippen unveränderlich zum grimassierenden Lächeln einer aufweichenden Moorleiche verzogen und leise mit dem zu lose sitzenden Gebiß klappernd, ihren Wetterzauber. Mit Erfolg. Kurz bevor wir das Ziel unseres Ausflugs erreichten, wurde oben tatsächlich für eine Stunde der Wasserhahn zugedreht. Erste Kanus tauchten unter überhängenden Ästen auf, und Ruderboote kamen zügig um die nächste Flußbiegung gepullt.

Unser Schiff tutete einmal so laut, daß am Ufer ein Eisvogel vor Schreck vom Ast ins Wasser stürzte wie ein pfeilförmiger Tropfen, dann legten wir an den Uferbohlen eines pudelnassen Gartenlokals an und setzten uns zu Tisch, um frischen Spargel oder butterzarte Maischolle aus der Ostsee zu verputzen. Was schert uns denn das norddeutsche Schietwetter?

"Das ist das Schönste im Leben: Waldsäume, ein stillglänzendes Gewässer fern in bescheidener Wieseneinsamkeit."

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