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Donnerstag, 28. März 2013
Okkupiert - annektiert - Kronkolonie (Zypern, 9)

Befeuert durch seine panslawistische Ideologie suchte das zaristische Rußland immer wieder nach Gelegenheiten zu einer Revanche für den verlorenen Krimkrieg. Nachdem das Osmanische Reich in Folge von Dürren und anschließenden Überflutungen 1875 den Staatsbankrott hatte erklären müssen, unterstützte der Kreml Erhebungen gegen die Türken überall auf dem Balkan und erklärte der Türkei 1877 den Krieg.
Die russischen Offensivarmeen überschritten zügig die Donau und das Balkangebirge und marschierten, begünstigt durch erstaunlich falsche Lagebeurteilungen und eine noch erstaunlichere Passivität im osmanischen Generalstab, bald auf Istanbul zu, da schickte England demonstrativ eine Kriegsflotte an den Bosporus, um den Türken den Rücken zu stärken. Das bewog den Zaren, einem von der Pforte angebotenen Waffenstillstand zuzustimmen. Im März 1878 diktierten seine Vertreter dem Osmanischen Reich im Istanbuler Vorort Yesilköy den Vorfriedensvertrag von San Stefano, der u.a. die Unabhängigkeit Serbiens, Montenegros und Rumäniens sowie die Bildung eines autonomen großbulgarischen Fürstentums vorsah. Unter Einschluß von Makedonien sollte es bis an die Ägäis reichen. Einen solchen Satelliten, der Rußland Zugang zum Mittelmeer eröffnet hätte, wollten die übrigen europäischen Mächte nicht akzeptieren. Bismarck schlug eine Konferenz zur Revision des Vertrags von San Stefano in Berlin vor, und Großbritannien schloß im Juni 1878 einen Vertrag zur Bildung einer Verteidigungsallianz mit dem Osmanischen Reich gegen Rußland, die Zypern-Konvention. In ihrem Artikel 1 stand: “In order to enable England to make necessary provision for executing her engagement, His Imperial Majesty the Sultan further consents to assign the Island of Cyprus to be occupied and administered by England.”

Schon im folgenden Monat landeten die Engländer auf der Insel. Als ersten Gouverneur ihres neuen Protektorats schickten sie an der Spitze einer 10.000 Mann starken Besatzungsarmee einen Militär, den altbewährten und hoch dekorierten Haudegen Generalleutnant Garnet Wolseley, der zuvor in Burma und bei der Niederschlagung des Indischen Aufstands 1857 gekämpft, den dritten Krieg des Empires gegen die Aschanti an der afrikanischen Goldküste siegreich beendet und im Krimkrieg vor Sewastopol ein Auge verloren hatte. Wolseley kam zu der Einschätzung, Famagusta wäre “a good coaling station for a fleet watching the northern end of the Suez Canal”, und der Kommandeur der britischen Mittelmeerflotte, Admiral Hornby, war derselben Meinung. Allerdings setzte die Sommerhitze in Famagusta den Briten derart zu, daß nicht wenige Soldaten an Fieber starben, ein Großteil der Truppe bald wieder abgezogen wurde und der Gouverneur rasch die Insel auf der Suche nach einem klimatisch kühleren Hauptquartier in den Bergen rekognoszieren ließ.
Für die Beaufsichtigung der Arbeiten bei der Errichtung einer Sommerresidenz im Troodos-Gebirge wurde im März 1880 übrigens der 24-jährige Arthur Rimbaud verpflichtet, der zuvor schon einmal in einem Steinbruch auf Zypern gearbeitet hatte und sich zum zweiten Mal auf der Insel aufhielt. Im Juni desselben Jahres aber empfahl sich Rimbaud sehr plötzlich auf Französisch und verschwand über Nacht mit einem Frachter nach Ägypten.

Von den Griechen auf der Insel, die drei Viertel der Bevölkerung ausmachten, wurden die Briten anfangs freudig empfangen, denn sie erhofften sich von ihnen, daß sie Zypern wie 1862 den Ionischen Inseln einen Anschluß (enosis) an Griechenland gestatten würden. Doch die Engländer dachten überhaupt nicht daran. Sie schlossen die Zyprioten gleich welcher Abkunft von jeglicher Mitregierung aus wie jedes unterworfene Kolonialvolk und erlegten ihnen hohe Steuern auf, aus denen die Pachtzahlungen und Subsidien an den Sultan beglichen wurden.
Als das Osmanische Reich 1914 an der Seite des Deutschen Reichs in den Ersten Weltkrieg eintrat, erklärte Großbritannien Zypern kurzerhand für annektiert und ließ sich diese Annexion nach dem Krieg 1923 im Vertrag von Lausanne von der jungen türkischen Republik rechtskräftig bestätigen. Türkischstämmige Zyprioten hatten die britische Staatsbürgerschaft anzunehmen oder die Insel zu verlassen. 1925 wurde Zypern britische Kronkolonie.

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