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Dienstag, 5. August 2008
1. Goldmedaille an China. Olympiade Peking 2008
Am Wochenende beginnt die Olympiade. Für Sportfreunde in aller Welt sonst ein lang erwarteter Augenschmaus, doch diesmal dürften - mich eingeschlossen - viele im Widerstreit mit sich selbst liegen, ob sie sich die Spiele ansehen oder einer Art von stillem Boykott durch Dunkellassen der Mattscheibe anschließen wollen.
Die erste Goldmedaille hat China schon sicher. Es ist wieder einmal Olympiasieger und Weltmeister im Hinrichten. Letztes Jahr wurden weltweit 1252 Menschen durch staatliche Hand vorzeitig vom Leben zum Tod befördert. "Rund 90 Prozent der Hinrichtungen wurden in China, im Iran, in Saudi-Arabien, Pakistan und den USA verübt", schreibt Amnesty International. Obwohl Saudi-Arabien und Iran kräftig aufholen, verteidigt China mit 470 Treffern souverän seine jahrelange Pole position in der Disziplin staatlicher Tötungen.

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Freitag, 1. August 2008
Autotest: Ich bin ein Lotus
Sommerzeit, Ferienzeit... Die Lufthansa wird bestreikt, noch mehr Urlauber reihen sich in die Staus auf den Autobahnen in den sonnigen Süden oder Norden ein, jawohl, sonniger Norden: Gestern erreichte Reykjavík in Island mit 26,4° einen absoluten Hitzerekord in seiner Geschichte, in Thingvellir stieg das Thermometer sogar auf 29,7° und stellte damit fast den Landesrekord vom Sommer 1939 mit 30,5° ein. Da beginnt die Reiselust doch wieder heftig zu jucken, und man stellt sich zum wiederholten Mal die Frage, ob man sich nicht vielleicht doch, um auch mal ganz spontan nach allüberallhin aufbrechen zu können, ein Auto zulegen sollte. Unter heftigen Umweltgewissensschlägen stellt man Erwägungen an, welcher Wagentyp, welche Marke es im Fall des Falles am besten sein sollte. Nicht zu groß und kein Spritschluckspecht (schon allein bei denBenzinpreisen!), aber doch groß genug, um Zelt und Schlafsack und andere Campingutensilien mitnehmen zu können. Oder sogar so groß, dass man schlimmstenfalls im Wagen selbst schlafen könnte? Ein bisschen geländegängig für Wüstenpisten?? Spinnst Du, fragt die Vernunft dazwischen, komm mal wieder auf den Teppich des Alltags...!
Und dann findet man in all diesen Überlegungen, bei all diesem Abwägen in einem Blog, in dem man hin und wieder gern mitliest, einen Link, von dem man glaubt, den hat mir doch das Leben als Entscheidungshilfe geschickt. "Hier werden Sie geholfen!" (Hat übrigens tatsächlich Goethe himself so verwendet. Ich fand's mal ganz zufällig und war völlig verdattert. Hätt' ich der Feldbusch auch nicht zugetraut.) Gut, ich mache mich also emsig daran, den Test auszufüllen, der mir zeigen soll, was das richtige Auto für mich ist, und Folgendes kommt dabei heraus:

I'm a Lotus Elise!

You believe in maximum performance and minimum baggage. You like to travel light and fast, hit the corners hard, and dance like there's no tomorrow.

"Take the Which Sports Car Are You? quiz.

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Mittwoch, 30. Juli 2008
Karadzic eingetroffen
Wir unterbrechen unser laufendes Programm für eine aktuelle Meldung. -
Wenn man sich so endlos über Geschichte auslässt, sollte man auch wach sein, wenn die Geschichte einmal direkt über dem eigenen Kopf kreist. So heute morgen um halb acht hier im Haag, als das Schreddern einer Hubschrauberstaffel die Morgenruhe durchbrach. Eine der Maschinen schraubte sich langsam herab und verschwand hinter den Gefänfnismauern der Penitentiaire Inrichting Haaglanden. Radovan Karadzic, ehemaliger Führer der bosnischen Serben, mutmaßlicher Kriegsverbrecher und Mitverantwortlicher für das größte Massaker in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, war in dem Untersuchungsgefängnis gelandet, in dem man ihm vor dem Internationalen Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) den Prozess machen wird.

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Dienstag, 29. Juli 2008
Habsburgs Frauenhandel
Wenn sich aus dem Voranstehenden der Eindruck ergeben haben sollte, dass Frauen und besonders solche aus hochrangigen Familien in jenen feudalen Zeiten oft vor allem als “Verhandlungsmasse” für Familien- oder gar Staatenbündnisse und Besitzstandwahrung und -erweiterung ihrer Familien instrumentalisiert wurden - und nach ihrer Verheiratung natürlich als Lieferantinnen für den unter dynastischen Gesichtspunkten unverzichtbar notwendigen (möglichst männlichen) Nachwuchs, dann halte ich diesen Eindruck für zutreffend, und die Erkenntnis ist natürlich nicht neu. Überraschender scheint mir fast, dass es selbst unter diesen scheußlich einengenden Verhältnissen immer wieder Frauen gegeben hat, die eine enorme Kraft und Stärke an den Tag legten und sich machtvolle Positionen erkämpften, in denen sie weit über die ihnen eng gesteckten Grenzen und Rahmen hinaus in die Männerwelt hinein- und dort so selbstbewusst wie selbständig regierten. Zu den prominentesten unter ihnen gehören sicher einige deutsche Kaiserinnen des Mittelalters, angefangen bei der byzantinischen Theophanu, oder eine Eleonore von Aquitanien.

Nicht zuletzt sollte auch jene zunächst so fügsam scheinende Tochter Kaiser Maximilians zu enormer persönlicher Stärke heranwachsen, die schon als zweijähriges Kind zwecks Verheiratung weggegeben, mit fünfzehn zum zweiten Mal verheiratet wurde, und mit vierundzwanzig bereits zweifache Witwe war. Doch da war sie auch reif und gefestigt genug, um neuerlichen Verheiratungsplänen ihres kaiserlichen Vaters eine klare Absage zu erteilen. Erst hatte sie als Heiratsobjekt einen Ausgleich Habsburgs mit Frankreich nach den Kämpfen um das Burgundische Erbe besiegeln sollen, dann sollte ihre Ehe mit Spanien Frankreich stattdessen einkreisen helfen, und nachdem der Infant Juan so früh verstorben war, diente ihre Verschacherung an Herzog Philibert II. von Savoyen, König von Zypern und Jerusalem, dem gleichen Zweck. Margarete nahm ihrem neuen Mann, der viel lieber auf die Jagd ging, die Regierung Savoyens anscheinend schon bald aus der Hand. Im dritten Jahr ihrer Ehe trank Philibert auf einem seiner Jagdausflüge überhitzt aus einer kalten Quelle, bekam Schüttelfrost und Fieber und starb.

Wer weiß, an welcher diplomatischen Front Maximilian seine Tochter als nächstes in welches eheliche Bett gesteckt hätte? Doch Margarete reichte es jetzt. Sie verbarg ihr rötlich blondes Haar unter dem deuil blanc, dem weißen Trauerschleier, und beschränkte sich fortan auf den Witwenstand. Maximilian hatte ein Einsehen und betraute seine einzige Tochter mit seiner Statthalterschaft und der Regierung in den von seiner ersten Frau und Margaretes Mutter geerbten burgundischen Niederlanden.
Ihr Regierungssitz wurde Brüssel, das sich anders als Brügge oder als Lüttich, das eine in den Niederlanden bestehende Tradition lokalen Widerstands gegen die Zentralmacht fortsetzte und dafür von Karl dem Tollkühnen 1468 vollständig geschleift worden war, immer mit der gern in seinen Mauern residierenden Macht arrangiert hat. Persönlich residierte Margarete lieber in ihrem neuen Palais in Mecheln, wo sie sich mit Künstlern wie dem aus Tallin kommenden, aber auch in Dänemark, Spanien und den Niederlanden bekannten Maler Michel Sittow und Intellektuellen wie Erasmus von Rotterdam und dem von Erasmus begeisterten Mercurino Gattinara umgab, den sie als Rechtsberater ihres verstorbenen Mannes aus Savoyen mitgenommen hatte. (Gattinara wurde später einflussreicher Großkanzler Karls V.) Margarete regierte mit einer Unterbrechung von zwei Jahren bis zu ihrem Tod 1530 stets loyal im Sinn der Interessen Habsburgs. Außenpolitisch galt ihr Einsatz beharrlich der Rückgewinnung aller ehemals burgundischen Territorien von Frankreich. Innenpolitisch arbeitete sie nach dem Tod ihres Vaters in Absprache mit dessen Nachfolger, ihrem Neffen Karl V., an einer Stärkung der Zentralverwaltung in Brüssel, richtete dort einen Staatsrat aus Mitgliedern des Hochadels ein und einen Geheimen Rat sowie einen Finanzrat für die tägliche Verwaltungsarbeit. Als 1521 im Antwerpener Augustinerkloster die Schriften Martin Luthers auftauchten, ließ sie als strenge Katholikin das Kloster schließen, die Mönche verhaften oder vertreiben und einige von der Inquisition in Brüssel öffentlich verbrennen.

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Samstag, 26. Juli 2008
Die dynastische Perspektive
Ereignisgeschichte, Strukturgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Sozialgeschichte... “Meine Damen und Herrn, das sind alles schöne und wichtige Disziplinen unserer Wissenschaft”, sagte mein alter Geschichtsprofessor vor langer, langer Zeit, “aber wenn Sie die Geschichte des alten Europa verstehen wollen, dürfen Sie eins nie außer Acht lassen: die dynastische Perspektive. Zu viele Dinge in seiner Geschichte sind durch den biologischen Zufall, durch Erbfälle und strategische Hochzeiten bestimmt worden, als dass man nicht immer auch darauf einen Blick werfen sollte.”
Es klang damals so hoffnungslos altmodisch, wollte er uns in der Hochblüte der Annales-Schule oder der Bielefelder Schule Wehlers etwa auffordern, den Gotha oder das Goldene Blatt zu studieren? Sicher nicht, aber bei der Betrachtung historischer Vorgänge den Blick auch auf diese Zusammenhänge und Faktoren lenken, denen oft genug ausschlaggebende Bedeutung beikam. Bekanntlich nicht zuletzt beim Aufstieg der Habsburger. “Tu felix Austria...”

Um sich nach dem Tod des Vaters in der Schlacht von Nancy gegen ihren gierigen Taufpaten, König Ludwig von Frankreich, in ihren Erblanden behaupten zu können, gewährte die gerade zwanzigjährige Maria von Burgund im sogenannten Großen Privileg den niederländischen Provinzen und Städten wieder die von ihrem Vater beseitigten Rechte auf Selbstregierung, die sie fortan eifersüchtig wahren sollten (und mit der sofortigen Hinrichtung von zwei alten Räten Herzog Philipps feierten). Noch im gleichen Jahr willigte sie in die bereits abgesprochene Ehe mit dem Habsburger Erbprinzen Maximilian. Ein Jahr später kam ihr Sohn Philipp zur Welt, zwei Jahre darauf ihre Tochter Margarete. Noch einmal zwei Jahre später nahm die begeisterte Reiterin auf Einladung des eng mit dem burgundischen Herzoghaus liierten Adolf von Kleve und Ravenstein an einer Falkenjagd bei dessen Schloss Wijnendale, südlich von Brügge, teil, stürzte dabei vom Pferd, brach sich den Rücken und starb, nur 25 Jahre alt, drei Wochen später an den Folgen einer Fehlgeburt.

Adolf wurde Vormund der Kinder, während Maximilian bald darauf zum deutschen König gewählt und als Nachfolger seines sich aus der Politik zurückziehenden Vaters ins Reich abberufen wurde.

Als der alte Kaiser 1493 starb und Maximilian ihm auch im Kaisertum nachfolgte, ließ er Philipp, den man inzwischen den Schönen nannte, mit 16 für volljährig erklären und verheiratete ihn zwei Jahre später mit Johanna, der zweiten Tochter der Katholischen Könige von Kastilien und Aragon, um ein Bündnis mit ihnen gegen Frankreich zu bekräftigen. Der Überlieferung nach verliebte sich Johanna auf den ersten Blick so unsterblich in ihren zukünftigen Ehemann, dass sie eifersüchtig alle weiblichen Wesen aus seiner Umgebung entfernt und nach seinem frühen Tod mit 28 lange den Sarg bei sich behalten und immer wieder geöffnet haben soll. Als Johanna die Wahnsinnige sperrte ihr Vater Ferdinand sie für den noch fast fünfzig Jahre dauernden Rest ihres Lebens in die Mauern des Convento de Santa Clara von Tordesillas ein (in dem ein Dutzend Jahre zuvor die Welt zwischen Spanien und Portugal aufgeteilt worden war). Immerhin hatte Johannas Mutter, Königin Isabella, Johanna und Philipp testamentarisch zu Miterben ihres Königreichs Kastilien bestimmt. Sollte König Ferdinand die Herrschaft über Spanien und die halbe Welt künftig etwa mit seiner durchgeknallten Tochter teilen?

Des schönen Philipps Schwester Margarete war gleich nach dem Tod ihrer Mutter Maria - mit zwei Jahren - zur zukünftigen Ehefrau des französischen Dauphins Karl ausgeguckt und zur Erziehung nach Frankreich gebracht worden. Als sie elf war, entschied sich ihr zukünftiger Gemahl und König auf einmal anders. In dem Jahr hatte nämlich Margaretes Vater Maximilian die erst dreizehnjährige Herzogin Anne von der Bretagne zu seiner zweiten Frau ausersehen und zur Trauung den Grafen Polheim als seinen Stellvertreter in die Kathedrale von Rennes geschickt. Natürlich war Frankreich gegen diesen weiteren Umklammerungsversuch Habsburgs, und so erhob der inzwischen regierende Karl VIII. selbst Ansprüche auf die Braut. Maximilian protestierte zwar, musste aber aus der Ferne zusehen, wie sein Schwiegersohn in spe mit der Handhabe, dass der Kaiser die Ehe mit Anne nicht vollzogen und er, Karl, als ihr Lehnsherr vorher nicht seine Zustimmung erteilt habe, nun seine eigene Frau heiratete. So kam die Bretagne an Frankreich.

Gegen einige zuvor von Frankreich annektierte Territorien aus dem burgundischen Erbe ließ sich der Kaiser für die persönliche Schmach durchaus entschädigen und nahm die am französischen Hof etwas überflüssig gewordene Margarete zurück. Zwei Jahre später verheiratete er die Fünfzehnjährige nach Frankreichs Einfall in Neapel ebenfalls in einer Prokurationshochzeit mit dem siebzehnjährigen spanischen Thronfolger Johann. Im April 1497 wurde in Burgos die wirkliche Hochzeit gefeiert. Durch die beiden so kurz aufeinander folgenden Hochzeitsfeiern waren die königlichen Kassen derart angegriffen, dass dem Almirante des Ozeanischen Meeres, Don Cristóbal Colón, vorläufig der Geldhahn für seine dritte Reise nach “Indien” zugedreht wurde. Stattdessen ging das königliche Brautpaar auf seine Hochzeitsreise zu Johanns älterer Schwester nach Portugal. Unterwegs wurde der Infant von einem heftigen Fieber befallen, am 6. Oktober 1497 starb er. Margarete brachte noch ein totes Kind zur Welt und sah sich bald zum zweiten Mal in die Niederlande zurückexpediert. Das Haus Kastilien-Aragon besaß keinen männlichen Thronerben mehr. Bis die später für wahnsinnig erklärte Johanna mit ihrem schönen Philipp von Habsburg im flandrischen Gent einen Sohn in die Welt setzte. Durch den kleinen Karl (V.) sollte das Haus Habsburg auch noch das soeben entstehende spanische Weltreich erben.

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Donnerstag, 24. Juli 2008
Das rasche Ende von Burgunds Traum
Der Sohn des guten Philipp von Burgund, Karl mit dem Beinamen der Kühne, in dem allerdings eher ein unflexibles bis verbohrtes und unbesonnenes tollkühn mitschwingt, will noch mehr als sein Vater. Philipp hat 1435 im Vertrag von Arras auf Lebenszeit die Unabhängigkeit seiner französischen Lehen von der Krone Frankreichs erreicht, Karl will selbst eine Krone. Er will aus Burgund ein unabhängiges Königreich zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich machen und laviert entsprechend zwischen den beiden übermächtigen Nachbarn. Nacheinander ehelicht er eine Tochter des französischen Königs, nach deren frühem Tod eine Cousine, die ebenfalls früh stirbt, ihm aber immerhin eine Tochter hinterlässt. Sie wird zum Faustpfand in Karls Plänen, ganz nach oben zu kommen. Im September 1473 reitet er in einer vergoldeten Rüstung an der Spitze einer Truppe von 6000 Mann in Trier ein, trifft sich dort mit Kaiser Friedrich III., der “Erzschlafmütze” des Reichs, und bietet dem Habsburger sein eigenes Herzogtum Burgund als Mitgift für eine Heirat zwischen seiner Tochter Maria und Friedrichs Sohn Maximilian an. Kleine Gegenleistung: Friedrich soll dafür sorgen, dass Karl zum Römischen König und damit designierten Nachfolger als Kaiser gewählt wird. Nach zwei Monaten des Sondierens, Verhandelns und natürlich Bankettierens bekommt der Kaiser kalte Füße. Karl ist vierzig und könnte in seiner dritten Ehe mit der englischen Königstochter Margarete durchaus noch einen Sohn bekommen, der Maximilians Erbansprüche zunichte machen würde. Friedrich, der Kaiser, empfiehlt sich durch die Hintertür und reist überstürzt ab.

Nachdem dieser Plan geplatzt ist, setzt Karl alles daran, seine noch getrennten Besitzungen in den oberen und niederen Landen durch territoriale Erweiterungen zu einem zusammenhängenden Reich zu vereinen. Das ihm vom österreichischen Erzherzog Sigismund gegen Geld verpfändete Elsass rückt er nicht mehr heraus, als der das Pfand wieder einlösen will, zudem erhebt er Ansprüche auf Lothringen und nimmt nach einer Belagerung dessen Hauptstadt Nancy ein. In der Zwischenzeit aber hat sein großer Gegenspieler, Ludwig XI. von Frankreich, auf diplomatischem Weg einen historischen Ausgleich zwischen den Erzfeinden Habsburg und der Schweizer Eidgenossenschaft zustande gebracht, wodurch die schlachterprobten und reichlich mit französischen Hilfsgeldern versehenen Schweizer endlich ihre Aufmerksamkeit von Osten auf die bedrohlich zunehmende Macht im Westen umlenken können. Dort marschiert Karl nämlich schon durch das savoyische Waadtland, um sich mit Truppen aus Savoyen gegen Bern zu vereinigen und es anzugreifen. Die eidgenössische Garnison von Grandson lässt er trotz Zusicherung freien Geleits bis auf den letzten der 412 Männer aufknüpfen, doch die anrückenden “Gewalthaufen” der Berner bringen der modernsten Armee Europas, die aus Soldrittern, englischen Bogenschützen, Artillerie und Arkebusieren besteht, im März 1476 eine empfindliche Niederlage bei. Die reiche “Burgunderbeute”, die die Eidgenossen machen, wird sprichwörtlich. Im Juni schließt der nach Lausanne entflohene Herzog mit seinem wiederversammelten Heer das an der Straße nach Bern liegende und mit diesem verbündete Murten ein, wodurch der eidgenössische “Bündnisfall” ausgelöst wird. Am 22. Juni marschieren die vereinten Schweizer, verstärkt durch 1800 lothringische Reiter, im Rücken der Belagerungsarmee auf und töten in der anschließenden Schlacht an die 10.000 Burgunder. Karl zieht sich mit den geschlagenen Resten seines Heeres nach Lothringen zurück und führt es mit frischen Kräften erneut gegen Nancy, das er trotz des nahenden Winters einschließt. Am 5. Januar stürmen die vereinten Lothringer und Schweizer die von Mannschaften entblößten Belagerungsstellungen der Burgunder. Herzog Karl geht in der tumultuarischen Flucht verloren. “Tage später finden Männer aus seiner Entourage im Morast den toten Herrn. Der Kopf ist auf der einen Seite eingefroren in die geborstenen Eisschollen eines Tümpels und auf der anderen von einem Hellebardenhieb entstellt. Am nackten Leib sind Lanzenstiche zu sehen, auch ist er von Wölfen angenagt.” (Weltwoche, 15/08) Ausgerechnet die rohen Schweizer Fußsoldaten, auf die Europas verfeinertster Aristokrat bloß mit Verachtung herabsah, hatten ihn dreimal hintereinander geschlagen und schließlich aus dem Sattel gestoßen.
Noch im gleichen Jahr heiratete der achtzehnjährige Erzherzog Maximilian von Österreich die ihm versprochene Alleinerbin Maria von Burgund. Abgesehen von den französischen Lehen, die Ludwig XI. erobern konnte, kamen damit die reichen burgundischen Territorien der Oberen und Niederen Lande an Habsburg und trugen sehr substanziell zum weiterem Aufstieg seiner bald weltumspannenden Dynastie bei. Die überblähte burgundische Seifenblase war geplatzt. Brüssel und die Niederlande gehörten jetzt dem Haus Habsburg.

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Montag, 21. Juli 2008
Das burgundische Brüssel
Hypertroph, aufgeblasen, übertrieben, ist das Wort, das mir bei vielen Brüsseler Ansichten in den Sinn kommt. Bescheiden hat es natürlich angefangen: als Bruocsella, “Wohnsitz im Sumpf”, wurde das spätere Brüssel erstmals 966 in einem Diplom Kaiser Ottos I. erwähnt. Im Besitz der Löwener Grafen stieg es im hohen Mittelalter zur Hauptstadt des Herzogtums Brabant auf, während seine Bürger im Handel mit den berühmten flandrischen und brabantischen Tuchen reich und reicher wurden. 1383 bzw. 1430 fielen Brabant und mit ihm Brüssel an die Herzöge von Burgund aus dem französischen Königshaus der Valois. Herzog Philipp, der sich von seinen Hofliteraten so lange der Gute nennen ließ, bis es ihm als Beiname anhing, machte Brüssel zur Hauptstadt seines ausgedehnten Zwischenreichs von Burgund, das von Nordholland bis kurz vor Lyon reichte, und damit zur kulturell tonangebenden Stadt Europas. Was man in Brüssel an Gespreiztheiten zur Schau trug, machte in ganz Europa als Burgundische Mode und später als Spanisches Hofzeremoniell Schule.
“Die zügellose Übertreibung, die die französisch-burgundische Tracht ein ganzes Jahrhundert lang kennzeichnet, ist ohne Beispiel”, schreibt der Mennonitensohn Huizinga in seinem Herbst des Mittelalters und mokiert sich besonders über die Männermode Burgunds, die langen Schnabelschuhe, die sich die burgundischen Ritter abschneiden mussten, um aus der Schlacht fliehen zu können, die “eingeschnürten Taillen, die ballonartig gepufften Ärmel, das kurze, kaum die Hüfte bedeckende Wams, die hohen, spitzen oder zylinderförmigen Mützen und Hüte, die Hauben, die man wunderlich wie einen Hahnenkamm oder ein flammendes Feuer um den Kopf drapiert. Je feierlicher, desto ausschweifender; denn dieser ganze Aufputz bedeutet Staat”. Staat im doppelten Sinn auch von sich in Staat werfen, Staat machen, dessen Höhepunkt die Feste der burgundischen Herzöge darstellten. Laut Huizinga sollten sie Inszenierungen eines überkommenen heroisch-ritterlichen Ideals sein. Tourniere wurden als Schaukämpfe vorgeführt und überbordende Bankette abgehalten, deren wüsteste Übertreibungen in den entremets oder Zwischengängen gipfelten. Zur dritten Hochzeit von Philipps Sohn und Nachfolger Karl dem Kühnen wurde als Tafelaufsatz eine 46 Fuß hohe Nachbildung des Turms von Schloss Gorkum hereingetragen, auf der als Wildschweine kostümierte Musikanten Jagdhörner bliesen, die Leibzwergin der Braut ritt auf einem vergoldeten Löwen in den Saal. Bei seinem berühmten Fasanenfest in Lille hatte Philipp le Bon ein 28-köpfiges Orchester in einer riesigen Pastete aufgetischt. Der Lebensstil von Burgund steht, in einem Wort, für jenseits der Ekelschwelle auftrumpfende Geschmacklosigkeit.

“Der maßlose Hochmut von Burgund!” bricht es angesichts all dessen aus Huizinga hervor. “Kein Leben jener Zeit scheint so erfüllt von irdischem Hochmut und prahlender Genußsucht... wie das Philipps des Guten.” Dabei war “der ganze Apparat ritterlichen Prunkes längst nicht mehr von wirklichem Leben erfüllt... Überladener Prunk und Etikette sollten den innerlichen Verfall der Lebensform überdecken.” In dem wirklichen Gefecht bei Saint Richier ließ der Herzog seine Prunkrüstung lieber von einem anderen tragen und wappnete sich selbst ganz unauffällig.

Auf der im burgundischen Zeitalter bebauten Grand place in Brüssel mit ihrem Rathaus aus den Tagen Philipps und den goldüberzuckerten Gildehäusern (von denen etliche jedoch nach der französischen Bombardierung von 1695 in historisierendem Barock oder spätem 19. Jahrhundert wiederaufgebaut wurden) erkennt man noch den Abglanz jener Epoche wieder, in der “Pracht die Schönheit verdrängen” wollte. Diese “flamboyante Gotik... löst alle Formen in Selbstzergliederung auf. Es ist ein ungebundenes Wuchern der Form über die Idee.”

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