Seit langer Zeit wieder einmal in Göttingen. Sehr angetan davon, wie jung die Stadt ist. So überschaubar klein am Rand der Schüssel des Leinetals (Heine!) gelegen und doch so voll junger Menschen. So Provinz und doch die studierende Jugend der Welt zu Gast. So jung und doch auch erhaltenswertes Altes pflegend, die handwerklich meisterhaften Fachwerkhäuser zum Beispiel oder das Cron & Lanz mit seinen ebenso meisterlichen Torten seit bald 140 Jahren. Nach einem Kostümumzug durch die Innenstadt kehren ausgerechnet in diesem traditionsreichen Café neben akademischem Mittelbau und Professorenwitwen fröhlich die versammelten Drag Queens und Transen ein, und kein Mensch stört sich dran. Mir scheint das bezeichnend für den Geist der Stadt zu sein. Wieso auch nicht, aber wieso tragen die auf einmal alle Bärte? Vieles hat sich im Erscheinungsbild der Stadt gewandelt, und durch den Wandel ist sich Göttingen als aufgeklärte (Lichtenberg!), libertäre (Brüder Grimm, Göttinger Sieben und Antifabewegung), innovative Stadt (Gauß und 44 Nobelpreisträger) treu und lebendig geblieben. Bei meinem Rundgang kommt mir auch wieder der erste männliche Rockträger, dem ich im Leben begegnet bin, entgegen. Noch immer barfuß und mit inzwischen silbergrauem Pferdeschwanz stolziert er mit dem gleichen lieb verträumten Blick über die Weender wie eh und je.
"Bien sûr, ce n'est pas la Seine,
Ce n'est pas le bois de Vincennes,
Mais c'est bien joli tout de même
À Göttingen, à Göttingen"
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