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Mittwoch, 9. April 2014
Caliban, Kynokephalos (I)
Hundsköpfige Menschen auf dem Tympanon in Vezelay

Eine Figur in Shakespeares ‟Sturm”, die schon immer Neugier erregt hat, ist das hundsköpfige Monster Caliban, Sohn der mächtigen Zauberin-Hexe Sycorax, ursprünglich von der heidnischen Piratenküste Algeriens, eine Berberin also, und des Setebos, eines Gottes, Unholds oder gar Teufels? Über dessen Herkunft und Verbleib erfährt man nichts, Sycorax bannte den Luftgeist Ariel in eine Fichte und starb. Nach ihr ist Caliban der rechtmäßige Besitzer der sonst unbewohnten Insel. ‟Dieses Eiland / Ist mein, von meiner Mutter Sycorax, / Das du mir wegnimmst”, klagt er Prospero (in der Übersetzung Schlegels) an, den sein Schicksal nach der Verbannung aus Mailand an die Küste der Insel verschlagen hat. Prospero, der gebildete Ex-Fürst aus der italienischen Renaissance habe sich zuerst bei ihm eingeschmeichelt und ihn dann versklavt. ‟Wie du erstlich kamst, / Da streicheltest du mich und hielt'st auf mich, / Gabst Wasser mir mit Beeren drein und lehrtest / Das große Licht mich nennen und das kleine, / Die brennen tags und nachts; da liebt' ich dich / Und wies dir jede Eigenschaft der Insel – Ihr lehrtet Sprache mir, und mein Gewinn / Ist, daß ich weiß zu fluchen. / Hol' die Pest Euch / Fürs Lehren Eurer Sprache!” – Caliban also ein Naturwesen, ein Repräsentant der vom Zivilisationsmenschen unterworfenen Natur? Ja, aber auch mit den ungezähmten, triebgesteuerten Verhaltensweisen des Biests. Als er Prosperos Tochter Miranda sah, wollte er gleich über sie herfallen. Dafür hat Prospero ihn unterworfen. ‟PROSPERO: Du lügnerischer Sklav', / Der Schläge fühlt, nicht Güte! Ich verpflegte, / Kot wie du bist, dich menschlich; nahm dich auf / In meiner Zell', bis du versucht zu schänden / Die Ehre meines Kindes.” Darauf CALIBAN: ‟Ho, ho! Ich wollt', es wär' geschehn. / Du kamst / Mir nur zuvor, ich hätte sonst die Insel / Mit Calibans bevölkert.” Und als Prosperos Sturm seine Feinde auf die Insel wirft, will Caliban sie verleiten, seinen Herrn zu ermorden, um sich von dessen Joch zu befreien: ‟Will nicht mehr Fischfänger sein, / Noch Feu'rung holen, / Wie's befohlen; / Noch die Teller scheuern rein: / Ban, ban, Ca – Caliban / Hat zum Herrn einen andern Mann: / Schaff einen neuen Diener dir an! / Freiheit, heisa! heisa, Freiheit!”

Shakespeares ‟Sturm” vor allem als gedankenspielerischen Schwanengesang eines abtretenden Autors zu verstehen, diese Lektüre nehme dem Stück seine ‟brisante politische Ladung”, schreibt der holländische Regisseur Johan Doesburg zu seiner Haager Inszenierung. In dem Stück gehe es vor allem um Macht, Ohnmacht und Allmachtfantasien. Der von seinem eigenen Bruder entmachtete Prospero unterwerfe sich auf ‟seiner” Insel alles, Natur, Geister und Elemente. Auch der Luftgeist Ariel ist ihm mit all seinen Künsten nur aus Dankbarkeit und vor allem Zwang zu Diensten. Prospero droht, ihn jederzeit wieder in die Fichte sperren zu können. Und als Prospero seine Feinde in die Hand bekommt, will er an ihnen vor allem Rache üben. Er setzt sogar seine eigene Tochter als Lockmittel ein, um seine ehemalige Machtstellung wiederzuerlangen. Kein Wunder, daß Caliban gegen einen solchen Gewaltherrscher aufbegehrt.
Aber der titelgebende Sturm des Stücks ist auch ein Sturm des rachsüchtigen Affekts in Prosperos Kopf. Als aufbegehrendes Ungezähmtes der Natur ist Caliban nicht nur ein Naturwesen, er ist auch die andere Seite von Prosperos Ich, sein ‟Wille zur Macht”, wenn man so will, und das erkennt Prospero am Ende selbst, wenn er erklärt:
‟Dies Geschöpf der Finsternis erkenn' ich / Für meines an.”

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