Februar 2014. In den Haager Parks sind überall die Spechte zu hören, es blühen nicht nur Schneeglöckchen und Krokusse, sondern auch schon die Osterglocken, und viele Sträucher treiben den ersten hellgrünen Flor des Frühlings aus. In den Botschaftsvierteln der Hauptstadt hat man noch ganz andere schräge Vögel geflaggt, und es sieht alles noch halbwegs normal aus. Doch schaut man etwas genauer hin, erkennt man, daß die Vorarbeiten für die Belagerung der Stadt längst im Gang sind. In einem Monat wird hier der Ausnahmezustand herrschen.
Es kommen die Supermächtigen und Superängstlichen dieser Welt. Angestiftet von Barack Obama werden hochrangige Repräsentanten von mehr als 50 Nationen hier einfallen und sich im World Forum verschanzen, um bei ihrem Gipfeltreffen Fragen der Nuklearsicherheit zu diskutieren. Nein, nein, keine falschen Hoffnungen, es wird nicht um die Sicherheit von Atomkraft gehen. Die steht ja außer Frage. Nein, beim 3. Nuclear Security Summit geht es dem exklusiven Klub der Atommächte wieder einmal vor allem darum, wie sie exklusiv bleiben und verhindern können, daß z.B. Terroristen, also irgendwer sonst außer ihnen gefährliches Kernmaterial in die Finger bekommen könnte. Nimmt Israel teil? Selbstverständlich. Aber das heißt natürlich nicht, daß Israel endlich als Atommacht aus dem Schrank käme. Nein, denn auch Staaten wie Singapur, Aserbeidschan und Georgien und selbst so erklärt atomwaffenfreie Länder wie Neuseeland werden hier vertreten sein. Da darf Frau Merkel keinesfalls fehlen, und wenn sie sich auf Krücken hinschleppen müßte.
Den Haag, ‟die Stadt von Frieden und Recht”, sei der gegebene Veranstaltungsort für eine Konferenz zu diesem brisanten Thema, erklärte der niederländische Premierminister Rutte und vergaß nicht hinzuzufügen, daß die Niederlande selbst einen ‟kleinen, aber breiten (?) nuklearen Sektor” unterhielten, mit einem AKW und einem Forschungsreaktor (gleich um die Ecke in Delft) sowie einer Urananreicherungsanlage (Urenco). - Sieh an: Urananreicherung. Wer hätte das gedacht? He, müßten wir nicht sofort Sanktionen gegen die Niederlande verhängen, wie gegen andere potentielle Atomterroristenstaaten auch?
Es steht uns also einiges ins Haus. Es wird – trotz Haager Friedenskonferenzen und Völkerbund – die größte jemals in den Niederlanden abgehaltene internationale Konferenz werden. 10.000 Hotelzimmer sind von der niederländischen Regierung schon einmal vorsorglich belegt worden. Und in denen werden nicht die 13.000 Polizisten untergebracht, die Mitte März in die Stadt einmarschieren werden. Wahrscheinlich kampieren die in den Tiefgaragen unter dem Forum. Da werden Hängematten dicht an dicht aufgehängt wie zu Cooks und Blighs Zeiten auf den Schiffen der Royal Navy, I presume. Jedenfalls wurde den bisherigen Nutzern schon mitgeteilt, daß die Tiefgaragen an den fraglichen Tagen geschlossen und unbenutzbar sein werden. Und das gilt nicht nur für sie. Die Sicherheitsexperten im Organisationsteam des Gipfeltreffens haben in konzentrischen Ringen mehrere Bannmeilen um den Tagungsort errichtet, die uns hier Wohnenden alle zu Insassen eines Hochsicherheitstrakts machen werden.
Das fängt schon ganz weit draußen an: Der Luftraum über den Niederlanden wird in einem Kreis von 50 Seemeilen Radius um Den Haag teilweise und im Radius von 9 Seemeilen komplett gesperrt werden. Der größere Kreis reicht bis nach Belgien hinein und umfaßt natürlich auch den internationalen Flughafen Amsterdam-Schiphol mit entsprechenden Folgen für Normalo-Passagiere. Man darf sich auf stundenlanges Warten gefaßt machen. Ein Hobbypilot dazu entnervt: ‟Jetzt drehen sie wohl überall durch. Wenn nächstens die Raumpflegerinnen der EU-Gebäude von Brüssel auf Betriebsausflug gehen, dann drohen die nächsten Beschränkungsgebiete.”
Ebenso werden die Hauptverbindungen zwischen Schiphol und Den Haag, zum Teil achtspurige Autobahnen, für die Zeit der An- und Abreise der 58 Delegationen vollständig gesperrt. Das wird ein Mordsspaß für die Zigtausend Berufspendler! An allen Zufahrtsstraßen Richtung Innenstadt werden Kontrollpunkte eingerichtet, die den Verkehr weiter behindern dürften. Verstärkte Ausweiskontrollen im ganzen Stadtgebiet sind schon angekündigt.
Die gute Nachricht für Anwohner in der hellblauen Zone laut Infoschreiben der Stadtverwaltung: Sie dürfen während des Gipfels in ihren Häusern bleiben. Es wird ihnen sogar zugestanden, Besuch zu empfangen, obwohl die Zone ansonsten für Durchgangsverkehr gesperrt wird. Außerdem wird die gesamte Zone flächendeckend mit Beobachtungskameras bestückt.
Bewohner der dunkelblauen und der grünen Zone dürfen nur noch auf einigen Sammelparkplätzen parken, die gesamte Zone wird mit Sichtschutzzäunen bepflanzt und abgeschirmt. Der große Park in der grünen Zone wird geschlossen. Ich sehe schon die verdrucksten Mienen all der harn- und kotverhaltenden Hunde vor mir. Eventuelle Besucher müssen sich vorher bei der Polizei anmelden und werden dann eingelassen oder auch nicht. Die gute Nachricht: Briefe werden zugestellt. Päckchen und Pakete nicht. Öffentliche Briefkästen werden versiegelt. Fahrradfahren ist in der Zone verboten. Räder müssen geschoben werden. Die gelbe Zone bezeichnet ohnehin nur das praktischerweise gleich neben dem Veranstaltungshotel gelegene Europol-Gebäude, und für die rote Zone gibt es keine Informationen; die wird einfach komplett abgeriegelte Verbotszone für alle Bürger. Die freuen sich so auf ihre hohen Gäste, daß man es kaum in Worte fassen kann.
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