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Donnerstag, 1. Oktober 2015
La barca

Man kann versuchen, es so lange wie möglich hinauszuschieben, aber irgendwann ist Ultimo. Dann taucht am Abend ein fernes Segel in der Bucht auf, und am nächsten Morgen ankert die Barke auf der Reede, die einen endgültig aus dem schönen Refugium abholt.
E la nave va.

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Montag, 28. September 2015
Portorož

Das Licht in Piran im September! Nicht mehr dunstig wie oft im August, geklärter Äther, durchsichtig hellblau. Mittags gleißt es noch manchmal, macht Quecksilber aus dem Meer im Gegenlicht, bringt es in der anderen Richtung zu grünblauem Funkeln von Saphir und Topas.
Aber wenn der Monat so allmählich seinem Ende entgegentreibt, wird alles langsam eine Spur milder, das Licht verliert an Schärfe, die Temperatur an Hitze, vieles gerät in das sanftere Licht einer nachsichtigen Altersmilde oder bekommt schlimmstenfalls einen Hauch von langsamem "Tod in Venedig" (das ja schließlich gleich gegenüber liegt): „Die Hände im Schoß gefaltet, ließ er seine Augen sich in den Weiten des Meeres verlieren, seinen Blick entgleiten, verschwimmen, sich brechen im eintönigen Dunst der Raumeswüste [...] Herbstlichkeit, Überlebtheit schien über dem einst so farbig belebten, nun fast verlassenen Lustorte zu liegen”.

Die Zahl der Feriengäste und Touristen nimmt auch hier zusehends ab. Da kann man es vielleicht sogar einmal wagen, am Meer entlang in den Nachbarort Portorož zu spazieren, der sonst wahrlich keinen Besuch wert ist. In der Tat hält die Nachsaison dort ebenfalls Einzug, aber in deutlich ordentlicheren Formen. Nix Dionysisch, eher teutonisch stehen da die Liegestühle und Sonnenschirme in spitzem Winkel aneinandergelehnt und militärisch gerade ausgerichtet wie eine römische Legion, jeder Sonnenschirm ein pilum, der flach hochgeklappte Liegestuhl davor das scutum. Der Sand zwischen den Reihen sauber geharkt wie in einem Zen-Kloster. Nein, über Portorož, das unter Jugoslawen früher als Urlaubstraumziel galt (aus welchen Gründen auch immer), liegt kein morbider Charme, sondern die öde Langeweile eines Zeltlagers nach dem Abrücken der Pfadfinder. Lieber schnell wieder die paar Kilometer zurück nach Piran.

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Donnerstag, 24. September 2015
Strandfunde

Manchmal, wenn so ein warmer Spätsommertag in Piran sich seinem Ende zuneigt, beliebt der Himmel, aus seinem Schmelzkessel über den dampfenden Abendwolken eine Spur von seinem flüssigen Gold über das tintenfarbene Meer zu gießen. Das sieht dann annähernd so aus, wie ein Hals- oder Armband von Lapponia in der Entstehung, nur größer und noch schöner.

Nach einer solchen Nacht, findet man bei Sonnenaufgang dann schon mal ein hübsches Paar Treibholz des Lebens am Ufer, Ask und Embla.

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Montag, 21. September 2015
Piran's Bazaar

An einem Badeort, und Piran ist schließlich einer, geht es ja auch immer ein wenig zu wie in Harper’s Bazaar. Da wird der Bade- zum Laufsteg, die „Seepromenade” zum Catwalk, auf dem die Österreicher breitbeinig umeinander staksen, als hätte man ihnen ihre k.u.k. Badeorte am Mittelmeer nie weggenommen. Es gibt viel Bademode zu bewundern und viel Streetstyle rund um die Piazza Tartini zu sehen. Unter Rokokoperücke und schweren Augenlidern hervor schaut der Maestro und ehemalige Zaubergeiger lächelnd auf das Treiben zu seinen Füßen, und wird sich bestimmt manches Mal grämen, nicht von seinem hohen Sockel herabsteigen zu können. Manchmal aber auch froh sein, über dem Jahrmarkt der Eitelkeiten zu stehen. Als Kavalier aber verbeugt er sich immer galant.

Die glorreichen Vier

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Montag, 29. Juni 2015
Schwingen entfalten
Nach den Surfern kamen die Segler.
Ich muß leider gerade im Internet etwas auf Sparflamme kochen. Darum heute nur ein paar Bilder von der Segelregatta, die hier (und nicht auf der Kieler Woche) stattfand, aber die sprechen hoffentlich für sich, denn Segelschiffe gehören doch zu den schönsten je von Menschen erdachten und gebauten Fahrzeugen.
Demnächst etwas mehr dazu.

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Montag, 22. Juni 2015
Wo ist Grado?
Ich kenne das aus Island, zum Beispiel, oder von der norwegischen Westküste, von Donegal, Galway und der Bretagne. Mit anderen Worten vom Atlantik. Na gut, mit Abstrichen lasse ich auch die holländische Nordseeküste als Nachweis dafür gelten, daß sich das Licht am Meer permanent ändert, keine zwei Tage, kaum zwei Stunden gleich bleibt. Aber daß es auch am Mittelmeer so sein kann?! An der Adria?? Doch seit einer Woche ist es so. Wann auch immer ich den Blick hebe und aufs Meer schaue, ist die Farbe des Wassers eine andere als zuvor, sind die Wellen anders, ist vor allem das Licht am Himmel anders als vorher, die Höhe, Position, Form, Farbe von Wolken, falls gerade vorhanden. Jetzt, in dem Moment, in dem ich das hier aufschreibe, ist das italienische Nordufer gerade von Schauerwolken in klare und in undurchsichtige, blaugraue Segmente unterteilt. Ich sehe an dem ausgefransten Vorhang vor der Küste drüben, daß über Duino gerade ein Schauer niedergeht. Monfalcone dagegen sonnt sich leuchtend im Abendlicht.
Meist sind ganze Teile der Landschaft von Wolken verschluckt oder in Dunst aufgelöst. Die Berge vor allem. Wenn man nicht wüßte, daß sie da sind, wenn ich sie nicht schon gesehen hätte, würde man von ihrer Anwesenheit nichts sehen noch ahnen. Die Hügelketten hinter Triest allerdings, auf denen der Karst beginnt, sind fast immer zu sehen. Das slowenische Mittelgebirge dahinter verschmilzt schon häufiger ununterscheidbar mit Wolken. Nach dem Gewitter gestern war heute morgen kurz der Triglav, Sloweniens höchster Berg, über weißen Wolken deutlich zu erkennen, die Alpen aber scheinen nur in klarer Herbstluft hier unten am Meer sichtbar zu werden. (Gesehen habe ich sie im Oktober.)
Das eigenartigste Phänomen jedoch ist eine von Licht und Luft vorgegaukelte scheinbare Senkung oder Hebung von Land. Oft genug ist der nordwestliche Horizont nur eine Linie auf dem Wasser, als würde sich das Meer dort immer weiter über ihn hinaus erstrecken. Doch nachts war dort der Himmel oft diffus erleuchtet. Später klärte sich die Luft, und es wurden dunkle Punkte auf der Horizontlinie sichtbar, das mußten die Häuser von Grado sein. Heute morgen schwamm die gesamte Insel gestochen scharf auf dem Wasser. Höhere und flachere Häuser, Bäume, ein schlanker Kirchturm, alles mit bloßem Auge bestens zu unterscheiden. Und jetzt ist der gesamte Küstenbogen von Grado bis Triest durchgehend buchstäblich aus dem Meer aufgetaucht. Weiter nach Westen zu, Richtung Venedig, wirft die Sonne durch Lücken zwischen tief gestaffelt ziehenden Wolken dicke Lichtbahnen aufs Meer, dessen Oberfläche dort flirrt und flimmert wie ein riesiger Schwarm silberner Fischleiber. Und so könnte es weiter und weiter gehen, mit dem Schauen, mit dem Beschreiben. Der Regen über Duino hat aufgehört, auch hier bricht die Sonne wieder durch, das graue Meer wird jadegrün, in Ufernähe durchsichtig bis auf den felsigen Grund, weiter draußen eher blaugrün, die Wellen brechen nicht mehr, die Wolken über den Hügeln von Collio und Goriška Brda sind weitergezogen, wo ist Grado?

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Samstag, 20. Juni 2015
27 Knoten
27 Knoten, starker Wind aus Ostnordost: Bura, die Surfer sind los.

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Freitag, 19. Juni 2015
Das Segel zitterte unmerklich

„Was ist der Wind für Seeleute doch für eine Gestalt! Man spricht von ihm wie von einem Menschen, einem allmächtigen Herrscher, der mal schrecklich, mal wohlwollend ist [...] Wir lieben ihn, und wir fürchten ihn, wir kennen seine Tücken und seine Wutausbrüche, die vorauszusehen die Zeichen von Himmel und Meer uns langsam lehren. [...] Er ist der Herr des Meeres, der, dem man ausweichen, den man nutzen oder vor dem man fliehen kann, den man jedoch niemals bändigt. –
Da ist er, Monsieur, sagt Bernard zu mir.
Dort hinten, ganz dort hinten, am Rande des Horizonts wächst auf dem Wasser eine blauschwarze Linie. Ein Nichts, eine Nuance, ein unmerklicher Schatten [...] Der metallische Glanz des plötzlich matt gewordenen Wassers verwandelt sich in einen schieferfarbenen Ton. Der Himmel ist klar, wolkenlos.
Plötzlich huscht hier und da um uns herum über das Meer, das so glatt ist wie eine Stahlplatte, ein rasches, kaum erschienen, schon vergangenes, fast unmerkliches Gekräusel [...] Das Segel zittert, aber nur leicht, dann bewegt sich der Giekbaum langsam Richtung Steuerbord.”

(Guy de Maupassant: Auf See)

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Mittwoch, 17. Juni 2015
Bekalmt

„Das ist die Stille, die süße und heiße Stille eines Frühlingsmorgens im Süden. Und schon kommt es mir so vor, als hätte ich die Leute, die reden und umherhetzen, seit Wochen, seit Monaten, seit Jahren verlassen; ich spüre, wie der Rausch des Alleinseins in mich eindringt, der süße Rausch der Ruhe, die nichts stören wird, kein weißer Brief, kein blaues Telegramm, nicht die Klingel meiner Tür noch das Bellen meines Hundes. Man kann mich nicht herzitieren, nicht mitnehmen, nicht mit Lächeln unter Druck setzen.”

(Guy de Maupassant: Auf See)

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Sonntag, 14. Juni 2015
Gemischte Platte, akustisch und olfaktorisch

Nur nicht am Wochenende. Da schallen von der Badeplattform unten nicht nur alle Sprachen des ehemaligen Jugoslawien, also vor allem Slowenisch und Serbokroatisch, herauf, sondern auch viele andere slawische Idiome wie zum Beispiel Tschechisch und Russisch, gemischte mite italiano, claro, linguine con lingue miste sozusagen, dazu eine Palette ungarischer e- bis ä-Laute, und dazwischen breites, breiiges, behäbiges Österreichisch: die vordem k.u.k.-Völkerschaften wieder traut auf bunten Badetüchern vereint wie zuletzt vor 14/18. Das Ganze garniert mit dem Geruch von zu lange verwendetem Bratfett und akustischem Pommes-frites-Mief, der von etlichen Ausflugsschiffen herüberweht. Ich bedauere, diesmal den Mann ohne Eigenschaften nicht eingesteckt zu haben. (Er war schon in einem der Umzugskartons verschwunden.) Aber auch so muss ich jedesmal lachen, wenn ich ein Schiff mit rot-weiß-roter Flagge sehe: Österreichische Gebirgsmarine. Ist deren Hoheitsgewässer nicht eigentlich der Wörther See?

Statt Musil habe ich ein handlicheres und mir mit vielen Überraschungen aufwartendes Büchlein eines anderen modernen Klassikers mitgenommen: Auf See von Maupassant, der mich früher im Französischunterricht in der Schule fast zu Tode gelangweilt hat. Mit diesem kleinen Tagebuch von einem Riviera-Törn mit seiner Jacht Bel-Ami im Frühsommer 1886, in der schön gestalteten Klassikerreihe im mare-Verlag erschienen, tut er das ganz und gar nicht. An Bord seines Seglers ist der rastlos Gehetzte, mit Drogen seine Nerven ruhig stellende Syphilitiker ganz bei sich und findet die ersehnte Ruhe:
„Ich liebe diese kühle und leichte Stunde am Morgen, wenn der Mensch noch schläft und die Erde erwacht”, spricht er mir aus dem Herzen. „Man atmet, man trinkt, man sieht das wiederkehrende Leben”.

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