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Montag, 4. Februar 2008
Rotterdämmerung

Der schöne Name stammt leider nicht von mir, sondern vom Internationalen Filmfestival in Rotterdam (R. toont verontrustende, verwarrende en hilarische films uit het schemerduister van de cinema), bei dem in den letzten elf Tagen mehr als 200 Filme aus aller Herren Länder von Kirgisistan bis Uruguay zu sehen waren. Wer das nicht bewältigte, konnte sich am gestrigen Sonntag von der Tageszeitung de Volkskrant an die Hand nehmen und durch eine Auswahl von fünf angeblichen Publikumsfavoriten führen lassen. So sah ich einen polnischen Film mit holländischen Untertiteln, verpasste einen dänischen Film, in dem vor allem Arabisch gesprochen wurde, sah einen flämischen Film, der keine Untertitel wert war, und mit It's Hard to Be Nice (Tesko je biti fin) schließlich einen schön erzählten bosnischen Film aus Sarajewo, in dem am Ende doch das Gute im Menschen siegt. - Bis wir versuchten, mit dem Bus nach Hause zu fahren. It's hard to be nice to a dutch busdriver.

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Freitag, 1. Februar 2008
An der Haltestelle
Der nächste Schritt führt über die Straße zur Bushaltestelle mit ihrem Wartehäuschen, das nach mitteleuropäischem Empfinden verkehrt herum, nämlich mit der Rückseite zur Fahrbahn aufgestellt ist. Wer jetzt gleich wieder denkt: Nun ja, in einem Land mit gelben Nummernschildern... wird bald lernen, dass es gerade in Rücksicht auf die Gelbenummernschildfahrer geschah. Die preschen nämlich auch dann, wenn der andauernde Regen wieder einmal die halbe Fahrbahn in eine bachbreite Pfütze verwandelt hat, mit unverminderter Geschwindigkeit vorbei, wobei sie gut drei Meter hohe Fontänen aufpflügen, gegen die die Rückwand des Wartehäuschens als notdürftiger, wenn auch höchst unzureichender Spritzschutz funktioniert. Besser, man wartet einige Meter von der Haltestelle entfernt im strömenden Regen. Und wartet. Der angeschlagene Fahrplan scheint nämlich auch im Regelfall eher als Vorschlag gemeint zu sein, an den sich zumindest die Busfahrer nicht gebunden fühlen. Dass sie im Berufsverkehr zu spät kommen, ist ihnen kaum vorzuwerfen, aber dass sie zum Ausgleich dafür spätabends alles aus ihren Kisten rausholen und auch deutlich vor der fahrplanmäßigen Zeit an den Haltestellen vorbeifahren, will mir nicht unbedingt als kundenfreundlich einleuchten. Kunden scheinen sie ohnehin nicht zu transportieren; allenfalls Stückgut oder eher noch Schüttgut. Jedenfalls wird bei jeder Haltestelle und Ampel derart brutal abgebremst und beschleunigt, dass alles, was sich nicht fest irgendwo anklammern oder auf den Sitzen verkeilen kann, gut durcheinandergeschüttelt wird. Das ist besonders deshalb äußerst wirkungsvoll, weil anscheinend fast nur kopftuchtragende Mütter mit Kinderwagen und Rentner die Busse benutzen. Der rüstigere Teil der Bevölkerung treibt derweil Sport: Pfützenfahren, in Autos mit gelben Nummernschildern.

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Donnerstag, 31. Januar 2008
Erste Ausblicke
Gut. Genügend Zeit aufs Auspacken und Einrichten verwandt; es wird Zeit, den Blick nach draußen zu richten. Und was sehe ich: Überall Fahnen, rot-weiß-blau. Für mich die übliche Beflaggung von langsam und schwer beladen flußauf tuckernden Frachtkähnen auf dem Rhein, heute aber aus Anlass von Königins Geburtstag. Zufällig an Altweiberfastnacht und doch passend, denn die Dame wird 70. Zeit für sie, in Rente zu gehen, finden viele Niederländer im Radio. "Wir wollen unsern König Willem endlich ha'm, tätärä, tätärä!" Schon eine ziemlich karnevalistische Veranstaltung, sich so ein Königshaus zu halten. Immerhin soll die Königin meist schönere Hütchen tragen als unser Bundes-Horsti. Rotweißblau sind aber auch oberflächlich bunte Narrenfarben (es gibt weitere Beispiele unter den bettwäscheartig gemusterten Nationalflaggen), gemessen an unserem ernsteren, aber auch intensiven und widerspruchsvollen Schwarzrotgold.

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Samstag, 28. Juli 2007
Delft
Die ehemals planvolle und durchdachte Anlage niederländischer Städte sieht man heute noch am besten in den kleineren alten, die einstmals vielleicht aber Städte von Weltgeltung waren wie Delft, der Heimathafen der Vereinigten Ostindischen Kompanie. Groß wie die damalige Bedeutung der Stadt, in der 1584 die Integrationsfigur des niederländischen Aufstands, Wilhelm von Oranien, einem Attentat zum Opfer fiel, ist auch der Marktplatz. Gerade als der Dreißigjährige Krieg ausbrach, ließen die reichen Kaufleute um den Bergfried der alten Burg ein prunkendes Rathaus erbauen.

Als es fertig war, blickte Jan Vermeer jeden Tag darauf, aus der Schenke, die er zusammen mit seiner Mutter am Marktplatz betrieb.

Schön, durch eine Stadt mit so vielen gut erhaltenen, schönen alten Häusern zu schlendern, in der einem auf Schritt und Tritt Historie begegnet und die gleichwohl lebhaft und lebendig ist.


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Freitag, 27. Juli 2007
Inferior terra oder Holland, deine Städte!
Wer nach Stunden unfreiwilligen Wartens in O. endlich die Grenze zu den Niederlanden passieren darf, stellt beim Durchfahren von, sagen wir, stellvertretend Helmond oder Eindhoven rasch fest, daß diese selbsterklärten Bessermenschen des Fußballs genauso tüchtige Stadtbildzerstörer sind wie wir Deutsche. Rotterdam ist der vorläufige Endpunkt, dieser Fahrt wie dieser Entwicklung. Gegen die Ansammlung von dort in Baukörper umgesetzten Architektendarmkoliken sind Neuweltstädte wie Calgary anheimelnde Oasen städtebaulicher Romantik.
Und was waren die Holländer einmal für mustergültige Städtebauer! Ein Mann wie Descartes trat eigens in die Armee Maurits von Oraniens ein, um Festungsbauwesen und Stadtplanung der Niederländer zu studieren. In Simon Stevin besaßen sie einen großen Theoretiker neuzeitlicher Stadtplanung, der in seinen Entwürfen schon ausgangs des 16. Jahrhunderts Licht & Luft (große Fenster, "Lichtplätze"), Wasser und Sauberkeit (Grachten, Kanalisation, sanitäre Anlagen, Pflasterung) für jedes Haus vorsah. In den ringförmigen Erweiterungen Amsterdams, im Ausbau Emdens und kolonialen Neugründungen wie Batavia wurden seine Prinzipien berücksichtigt. Stadtplaner aus den Niederlanden entwarfen die Pläne für holländische Pflanzstädte wie Friedrichstadt in Holstein, für deutsche Fürstenstädte wie Hanau und Mannheim, ebenso für die schwedische Neugründung Göteborg. Und bekanntlich wurde noch die neue Hauptstadt des Zarenreichs, Petersburg, nach holländischem Vorbild erbaut.
Wenn man sich ansieht, was für überdimensionales Legospielzeug heute so alles hinter dem Haager Binnenhof in den Himmel wächst, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß auch in Holland längst alle einheitliche Stadtplanung "liberalisiert", d.h. aufgegeben wurde.
Das Land der weiten Horizontale schließt sich in Städte mit engen Vertikalen ein.
Rechts übrigens ein Beispiel aus einem Strand- und Ferienort: Scheveningen. Dazu fällt einem doch nur noch das Lied von den Bläck Fööss ein: "Et fäält bloß vom Balkon die Aussicht op dä Dom".

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