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Freitag, 5. Juni 2009
Piran. Ein Bilderbogen
Lassen wir diese Reise durch Deutschland, Österreich und Slowenien einfach entspannt ausklingen mit ein paar mediterranen und sommerlich bunten Bildern aus dem in der Vorsaison noch angenehmen Piran an der slowenischen Adriaküste Istriens.

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Dienstag, 2. Juni 2009
Solche, die es nicht tun. Zum Ursprung der Save
“Der einzige Grund für das Unglück des Menschen ist, dass er nicht still in seinem Zimmer sitzenbleiben kann.” Diesen abwegigen Gedanken hielt bekanntlich Blaise Pascal in seinen Pensées fest, ehe er, sein Leben lang blaß und schwächlich, schon mit 39 Jahren seinen streng frommen Geist aushauchte. Ein wenig Bewegung hätte ihm vielleicht gut getan.
“Unsere Natur ist in der Bewegung, völlige Ruhe ist der Tod”, schrieb der gleiche Pascal in der gleichen Gedankensammlung. Die beiden einander völlig entgegengesetzten Zitate desselben Aphoristikers zeigen, daß diese Sorte von Textproduzenten zu jedem gewünschten Zweck einprägsame Sprüche wie auf Bestellung abzufassen vermag. Kipling zog im Hinblick auf das Reisen auf seine bärbeißige Art daraus den Schluß: “Alles in allem gibt es nur zwei Arten von Menschen auf der Welt. Solche, die zu Hause bleiben, und solche, die es nicht tun.”

Halten wir uns von der vehementen Apodiktik solcher Sprüche also vorerst besser unbeeindruckt und beschäftigen uns, während wir dem Lauf der bohinischen Save aufwärts folgen, lieber mit der Frage, warum das Gehen wieder und wieder zu etwas Heilsamem erklärt worden ist. Von einem so tiefen Denker wie Søren Kierkegaard zum Beispiel: “Verlieren Sie vor allem nicht die Lust, zu gehen. Ich laufe mir jeden Tag das tägliche Wohlbefinden an und entlaufe so jeder Krankheit. Ich habe mir meine besten Gedanken angelaufen, und ich kenne keinen, der so schwer wäre, daß man ihn nicht beim Gehen loswürde”, schrieb er seiner Jette.
Pascals Zeitgenosse Robert Burton verordnete das Gehen als Heilmittel gegen Melancholie und Depressionen. Selbst der Wind erinnere uns noch daran, “daß wir immer in Bewegung sein sollten.” Chatwin entwickelte dazu seine in den Traumpfaden in Umrissen sichtbar werdende eigene Theorie, “daß die natürliche Auslese uns - von der Struktur unserer Hirnzellen bis zur Struktur unseres großen Zehs - zu einem Leben periodischer Fußreisen durch brennend heißes Dornen- und Wüstenland bestimmt habe. Wenn das der Fall war... dann ist es leichter zu verstehen, warum grüne Wiesen uns langweilen, warum Besitz uns ermüdet und warum Pascals imaginärer Mensch seine angenehme Wohnstätte als Gefängnis empfand.”
“Psychiater, Politiker und Tyrannen versichern uns ohne Unterlaß, daß ein Wanderleben eine anomale Verhaltensweise sei, eine Neurose, eine Form unbefriedigten sexuellen Verlangens, eine Krankheit, die im Interesse der Zivilisation ausgerottet werden müsse. Die Propagandisten der Nazis behaupteten, daß Zigeuner und Juden - Völker mit dem Wandertrieb in den Genen - keinen Platz in einem stabilen Reich hätten. Und doch hat der Ferne Osten die einst in der ganzen Welt gültige Vorstellung beibehalten, daß Wandern die ursprüngliche Harmonie wiederherstelle, die einst zwischen Mensch und Universum bestanden hat.”




Wir folgen dem Lauf der Sava Bohinjka zwischen bewaldeten Höhenzügen hindurch in ein weites Talbecken mit üppig grünen Wiesen, über denen ein gelber und weißer Flor von blühenden Wiesenblumen liegt. An der Engstelle ihres Durchbruchs modellieren Licht und Schatten tatsächlich ein Gesicht mit groß aufgerissenen, runden Augen in die Felswand über der “Höhle unter dem Zahn der Großmutter”. Das Wasser der Save hat zunächst das klare, aber weißliche Grün vieler Alpenflüsse. Zügig, aber noch ruhig strömt sie in zahlreichen Windungen dahin, perlt klar über breite Kiesbänke in ihrem Bett. Die Berge rundum werden höher, übersteigen die 2000er-Marke, oben noch im durchbrochenen Häkelumhang bläulich weißer Schneefelder. (Die Luft ist sehr diesig in der Wärme.) Das dreispitzige Massiv des Triglav, das Sloweniens Fahne im Wappenschild führt, kommt in Sicht, überragt mit seinen 2864 Metern alles. Dann füllt der grüne See von Bohinj den Talgrund, traumhaft schön gelegen. Ein altes Kirchdorf an seinem Ausfluß, die Kirche des hl. Janez aus dem 15. Jahrhundert. Die mehrbogige Steinbrücke über den Fluß vielleicht ebenso alt. Wenige Hotels, ein paar Pensionen, Fremdenzimmer. Der Tourismus hat das Aussehen der Landschaft noch nicht völlig verwandelt und seinem Zugriff unterworfen.
“Der Vorgang des Wanderns trägt zu einem Gefühl physischen und geistigen Wohlbehagens bei, während die Monotonie anhaltender Seßhaftigkeit oder regelmäßiger Arbeit im Gehirn Muster webt, die Überdruß und das Gefühl persönlicher Unzulänglichkeit hervorrufen. - Aggression... ist nichts anderes als eine zornige Antwort auf frustrierende Einengung.”
(B.C.: Nomadeninvasionen, 1972)
Zornig scheint auch der Fluß auf seine Einengung oberhalb des Sees zu reagieren. Aus dem weißlichen Grün wird schäumendes Weiß, mit dem er durch seine enge, felsverblockte Kluft schießt. Aus den steilen und tief zerschnittenen Seitenhängen fallen ihm Gießbäche in Kaskaden und Wasserfällen zu. Der Weg ist am hinteren Ende des Tals angekommen und führt jetzt im lichten Schatten hochstämmiger Mischwälder aufwärts. Ahorn, Eschen, Buchen und verschiedene Nadelbaumarten besiedeln den dünnen Boden zwischen erratischen Felsblöcken. Dann der alte Steinbogen einer Brücke, von einem Kassenhäuschen davor bewacht. Wir entrichten unseren Obulus und dürfen hinüber. Teils auf Stufen steigt der Weg am jenseitigen Ufer die Wand einer Schlucht hinan. Über dem Wald türmt sich der kahle Fels hellgrau, zerklüftet und von Rissen und Spalten durchzogen. Unter uns schäumt die Save. Die Kluft wird immer enger, bis ihre Wände in einer engen Spalte zusammentreffen. Daraus schießt das Wasser hervor, das oben im Karstgebirge zusammengesickert ist, und fällt über eine hohe natürliche Rutsche und eine im 19. Jahrhundert künstlich angelegte zweite Stufe insgesamt siebzig Meter in die Tiefe.

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Samstag, 30. Mai 2009
Die Gondeln von Bled
“Österreich 1974. Es waren wolkenlose Tage. Ich verbrachte jede Nacht in einer anderen Alpenhütte und hatte Würstchen und Bier zum Abendessen. Die Berghänge standen in Blüte: Enzian und Edelweiß, Akelei und Türkenbund. Die Kiefernwälder lagen blaugrün im Sonnenlicht, und auf den Geröllhalden lagen noch Schneestreifen.” (Bruce Chatwin: Traumpfade)

Vor die paradiesische Stille hat Gott natürlich seinen Erzengel mit dem verchromt in der Sonne blitzenden Plastikschwert der Souvenirstände plaziert. Und das touristische Fegefeuer von Bled. Der Ort liegt genau in dem Dreieck, das von den beiden Quellflüssen der Save und dem Blejsko jezero, einem zwei Kilometer langen und halb so breiten See in einer grünen Talwanne, gebildet wird. Selbstverständlich ist der von Bergen natürlich geschützte Ort inmitten wildreicher Wälder mit fruchtbaren Böden und Kupfervorkommen in der Erde seit Urzeiten besiedelt und der 140 Meter hohe Felsen an seinem Nordufer vielleicht schon seit der Völkerwanderungszeit befestigt. Jedenfalls fanden die Bischöfe von Brixen, die das Land kurz nach dem Jahr 1000 in ihre Herrschaft übernahmen, dort oben bereits eine Turmfestung vor. Seitdem haben es sich Mächtige des Habsburgerreichs von den Auerspergs bis zum Arktisreisenden von Payer dort gutgehen lassen, und nach dem Krieg belegte auch Marschall Tito eine Villa für sich mit Beschlag. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts erlangte Bled zunehmend Anerkennung und Bedeutung als Luftkur- und Badeort. Heute kuren dort, wie es scheint, Tausende und promenieren am asphaltierten und von Hotels und Pensionen und Casinos gesäumten Seeufer entlang und füttern die Enten und lassen sich mit einer Pletna zur “Wunschglocke” in der Marienkirche auf der kleinen Insel im See rudern. Ein Ort also, an dem die Gondeln wegen grausamer touristischer Verschandelung Trauer tragen müßten.

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Freitag, 22. Mai 2009
Slowenien. EU-Musterland
Slowenien trumpft nicht auf. Seine 2 Millionen Einwohner (Tendenz leicht rückläufig) begnügen sich mit Rang 162 auf einer nach der Landesgröße geordneten Staatenliste; kaum größer als Kuwait oder Fidji. Dennoch war dieses kleine Land das erste, das sich, sogar mit Gewalt, aus der jugoslawischen Föderation verabschiedete. Die wojwodinische Herzogin erklärt mir, die Slowenen hätten schon innerhalb Jugoslawiens stets eine Sonderrolle innegehabt. “Nach Slowenien zu kommen, war so etwas wie eine Vorstufe zum Ausland. Als erster Unterschied fiel auf, daß alles so grün und so sauber war. In Slowenien funktionierte immer alles. Nicht zuletzt sprachen die Slowenen eine andere Sprache, die dem Serbischen ferner steht als das Niederländische dem Deutschen. Die Slowenenen, das waren die Deutschen oder die Schwaben unter den Jugoslawen. Sie haben viel gearbeitet, Geld gemacht und es zusammengehalten. Die Slowenen waren als Geizkrägen verschrieen, denen es zuhause gut ging, und genau da saßen sie und zählten ihr Geld, meinten die Serben. Zu leben verstand man in Belgrad besser, war die dortige Ansicht, während die Slowenen diese lässigere Lebensart natürlich als Faulheit verachteten.”
Das klingt ein bißchen wie die Nord-Süd-Debatte in Italien. In der Tat haben die Slowenen wohl mehr in den Bundeshaushalt der Föderation eingezahlt als sie zurückbekamen, aber bei ihren Klagen darüber haben sie auch geflissentlich die natürlichen Vorteile ausgeblendet, die ihr gleich an Österreich und Italien grenzendes Land mit seinen ausreichend bewässerten fruchtbaren Böden und seiner hervorragenden Verkehrslage stets gegenüber den südlichen Regionen genoß. Der Adriahafen Koper zum Beispiel ist seit dem EU-Beitritt Sloweniens 2004 kräftig dabei, zum zentralen Ausfuhrhafen österreichischer Unternehmen zu werden. “Mit seiner guten Lage verbindet er auf kürzester Transportroute Zentral- und Osteuropa mit den Mittelmeerländern, über den Suezkanal erreicht er den Fernen Osten und ermöglicht so die starke Entwicklung des Logistik-Vertriebszentrums”, erklärt die oberösterreichische Wirtschaftskammer
(wko.at)
. “Die Seewege vom Hafen Koper sind im Vergleich zu diesen Wasserstraßen über 2000 nautische Meilen näher als es die nördlichen europäischen Häfen sind. Auch die Landstrecken zu den zentralen Wirtschaftsmarktplätzen, die man von Koper aus in weniger als 24 Stunden erreichen kann, sind um 500 km kürzer. Deswegen klassifiziert sich der Gesamtaufwand der eingesparten Zeit zwischen 5 und 10 Tage.”
Zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation des Landes schrieb die WKO (kurz vor der aktuellen Krise der Weltwirtschaft): “Das seit Jahren ungebrochene Wirtschaftswachstum von über 3 Prozent hat in letzter Zeit zusätzlich an Dynamik gewonnen. Nach drei Revisionen nach oben erreichte es 2006 mit 5,7 Prozent den höchsten Wert der letzten 10 Jahre und das erste Quartal 2007 begann mit einem Paukenschlag von 7,2 Prozent. Ähnlich wie in Österreich bilden die Exportwirtschaft mit der daraus resultierenden steigenden Investitionstätigkeit und einem kräftigen Zulegen der Bauwirtschaft (v.a. Straßen- und Wohnungsbau) die Säulen für den fortgesetzten Aufschwung in Slowenien.”
Die “Schaffe, schaffe”- und Häuslebauermentalität ist heute in der Tat unübersehbar, sobald man über die Grenze kommt. Da sind in den letzten Jahren offensichtlich ganze Ortschaften aus wohlhabenden Eigenheimen neu gebaut worden, und die Autobahnen und Straßen sind in besserem Zustand als so mancher Straßenabschnitt in Deutschland.

Klein ist das Land dieser strebsamen Musterknaben unter den neuen EU-Mitgliedern, aber landschaftlich schön und vielfältig. Auf einer Strecke von gerade mal 140 Kilometern kommt man aus den schneebedeckten Alpen durch grünes, hügeliges Mittelgebirge mit saftigen Weiden und Feldern über die trockenere Karstregion und durch Weinbaugebiete hinab zum Mittelmeer mit venetianisch geprägten Badeorten wie Capodistria, Portoroz und Piran.

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Donnerstag, 21. Mai 2009
Über die Karawanken
Es war noch so still, daß kaum mehr als die Tauben auf dem Domplatz zu hören waren, als wir am Morgen aus der Klagenfurt aufbrachen. Nach Süden. Geradewegs auf die steile, noch schneebekrönte Wand der Karawanken zu. - Schönes, kräftiges Wort übrigens; laut Wikipedia vom keltischen Wort karv abgeleitet, lat. cervus, Hirsch.

Nachdem wir auf der Bundesstraße, auf der sich voriges Jahr der besoffene Haider-Jörg totgerast hat, und hinter der ehemaligen Zisterze Viktring die angestaute Drau passiert hatten, führte die Straße ins zusehends enger werdende Tal des Loiblbachs hinein, der bei Schneeschmelze sehr viel gewalttätiger sein muß, als sein gemütlicher Name vermuten läßt. Bald wird das Tal zur Schlucht, und die Straße windet sich in Serpentinen in die Höhe. Seit Urzeiten nutzen die Menschen sie und den Paß oben am Ljubelj/Loibl, um das Grenzgebirge zu überwinden, das sich wahrlich wie ein wolkenhoher Sperriegel dem Vordringen in den Weg stellt.
Der glasgrüne Wildbach hat Klüfte und die Tscheppaschlucht tief in die Hänge gegraben, und dadurch scheinen die Berge mit ihren von Geröllschutt bedeckten Flanken noch höher aufzuwachsen. Mit 2200 Metern überragt der Hochstuhl den eigentlichen Paß in 1367 Metern, der heute gesperrt ist. 300 Meter tiefer führt ein Tunnel unter ihm hindurch, der 1943 auch unter Einsatz von über 1600 Kriegsgefangenen und Häftlingen aus dem KZ Mauthausen innerhalb eines Jahres gegraben wurde. Wer zur Arbeit zu schwach war, wurde von SS-Lagerarzt Ramsauer aus Klagenfurt zum Abtransport selektiert oder gleich mit einer Injektion von Benzin ermordet. (Nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Haft wurde Ramsauer 1954 wieder im Klagenfurter Landeskrankenhaus angestellt und stieg bis zum Chefarzt mit eigener Praxis am Domplatz auf. Von diesem politischen Skandal abgesehen hatten also etliche Klagenfurter offensichtlich keine Bedenken, sich von einem mehrfachen Mörder gesundspritzen zu lassen.)

Als wir jenseits des Hauptkamms aus dem Tunnel kommend Österreich glücklich hinter uns lassen, rollen wir in etwas Neues, in die unabhängige Republik Slowenien. Neu für mich und noch recht neu für Europa. Als ich damals vor Jahrzehnten zum ersten und bisher letzten Mal hindurchfuhr - auf dem damals fast obligatorischen Trip nach Griechenland -, war es noch Teil des von Tito zusammengehaltenen Jugoslawien. Und jetzt auf einmal, nach einem vergleichsweise glimpflichen 10-Tage-Krieg 1991, ist es zum ersten Mal in seiner Geschichte ein eigener, unabhängiger Staat.
Jahrhundertelang war das heutige Slowenien vor allem Durchzugsland für wandernde Völkerschaften und expandierende Reiche, die es sich eingliederten. Illyrer drangen wohl als erste Indoreuropäer aus dem Süden über die Balkanhalbinsel bis an den Fuß der Alpen vor; später machten sich Kelten in umgekehrter Richtung entlang der Bernsteinstraße breit. Ihr Königreich Noricum eroberte Augustus für Rom. In der Völkerwanderung durchzogen nacheinander Goten, Alanen, Sarmaten, Hunnen, Langobarden und Awaren die römische Provinz und ließen sich jeweils so lange in dem grünen, fruchtbaren Land nieder, bis sie von nachdrängenden Wandervölkern wieder verdrängt wurden. Ein erstes Fürstentum von unter den Awaren eingewanderten Slawen, Karantanien, wurde 788 von den Franken erobert, und seitdem gehörte das spätere Herzogtum Kärnten zum westlichen Kaiserreich, fiel also mit ihm nach der siegreichen Schlacht auf dem Marchfeld bei Wien 1278 an die Habsburger und blieb über 600 Jahre bei ihnen bis zum Untergang der k.u.k. Monarchie im Ersten Weltkrieg, worauf es bald Teil des neugegründeten vereinigten Königreichs der Südslawen, also Jugoslawen, wurde.
Es läßt sich daher zumindest historisch begründen, wenn der von einer slowenischen Mutter geborene Peter Handke in seinem kurzen Erinnerungsbuch an Slowenien: Abschied des Träumers vom Neunten Land aus dem Jahr der Unabhängigkeit 1991 sich schwer tut mit diesem plötzlichen Drang nach Unabhängigkeit, der zum Krieg eskalierte.
“Slowenien gehörte für mich seit je zu dem großen Jugoslawien, das südlich der Karawanken begann und weit unten, zum Beispiel am Ohridsee bei den byzantinischen Kirchen und islamischen Moscheen vor Albanien oder in den makedonischen Ebenen vor Griechenland endete. Und gerade die offensichtliche slowenische Eigenständigkeit, wie auch der anderen südslawischen Länder - Eigenständigkeit, die, so schien es, nie eine Eigenstaatlichkeit bräuchte -, trug in meinen Augen zu der selbstverständlichen großen Einheit bei.”
Wie weit sich Handke in seinem Festhalten an diesem von ihm geliebten und ausdrücklich um seine Geschichte beneideten Jugoslawien verrannt hat, ist hinlänglich bekannt. Aus dem kleinen Traktat werden aber auch ganz persönliche Gründe ersichtlich, aus denen heraus er an der Einheit Jugoslawiens festhalten wollte und dahinter den Wunsch nach Unabhängigkeit der ehemaligen Teilrepubliken und damit letztlich auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker zurückstellte.
“Nein, Slowenien in Jugoslawien, und mit Jugoslawien, du warst deinem Gast nicht Osten, nicht Süden, geschweige denn balkanesisch; bedeutetest vielmehr etwas Drittes, oder ‘Neuntes‘, Unbenennbares, dafür aber Märchenwirkliches, durch dein mit jedem Schritt - Slowenien, meine Geh-Heimat - greifbares Eigendasein, so wunderbar wirklich auch, wie ich es ja mit den Augen erlebte, gerade im Verband des dich umgebenden und zugleich durchdringenden - dir entsprechenden! - Geschichtsgebildes, des großen Jugoslawien.”
Immerhin hat sich Handke damals schon im Titel seines Traktats selbst als Träumer bezeichnet und erkannt, daß er von etwas bereits Vergangenem träumte. Nun komme ich also zum zweiten Mal in meinem Leben in diese Gegend, aber zum ersten Mal in dieses Land: Slowenien.

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