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Montag, 8. Juli 2013
Auf dem absteigenden Ast

Als die Belgrader Stadtplaner das Konzept für eine völlig neue und moderne Sproßstadt auf dem anderen Saveufer entwarfen, lag der Bruch Titos mit Stalin noch nicht lange zurück und Jugoslawien öffnete sich auch westlichen Ideen und Strömungen. Als richtungweisend für moderne Architektur galt dort nach dem Internationalen Stil besonders der Brutalismus von Le Corbusier, und nicht wenige der riesigen Blöcke in Novi-Beograd sind nach seinen Vorstellungen erbaut worden. Man trug Le Corbusier sogar an, bei der Gestaltung von Neu-Belgrad mitzuwirken, doch als er kam und die Umsetzung seiner eigenen Ideen in Augenschein nahm, soll er sich mit Grausen abgewendet haben. Mit einem sehr zweischneidigen Lob auf die Stadt, das einem viele Belgrader mit ihrem Galgenhumor heute noch gern zitieren, reiste er wieder ab:

“Belgrad ist am schönsten Ort der Welt die häßlichste Stadt der Welt.”


Man hat eben doch zu viele Stockwerke übereinandergetürmt und zu viele Menschen hineingepfercht, und zunehmende Armut, gepaart mit Inflation und Teuerung treibt immer noch mehr Bürger aus dem Stadtzentrum in die wenigstens noch bezahlbaren kleinräumigen Wohnungen der Trabantenstadt. Überfüllung, Abnutzung, “Renovierungsstaus” sind die Folge, der ursprünglich einmal weiß gestrichene Beton ist grau, braun und grün geworden und blättert und bröckelt. Eine an vielen Stellen offensichtliche, fast apathisch wirkende Teilnahmslosigkeit und Vandalismus dauerfrustrierter Rabauken tragen auch nicht gerade zum Erhalt von Wohnqualität bei. Jeder Eingang, jede Tür, jedes Loch ist mit massiven, häßlichen Gittern möglichst gegen Einbrecher und mutwillige Zerstörer gesichert. Die Müllabfuhr kommt zwar jeden Tag, aber trotzdem liegt Abfall in aufgeplatzten Säcken und Tüten neben den stinkenden Containern. Und vor den Müllkutschern kommen allabendlich Zigeuner auf kleinen Fuhrwerken, die von abgemagerten Pferden gezogen werden, und durchsuchen den Abfall nach noch Verwertbaren.

Der Zustand der Häuser ist nur ein Spiegelbild der immer noch weitergehenden Verarmung ihrer Bewohner. Vielen sieht man an, daß es ihnen einmal besser ging; andere sind schon seit langem ganz, ganz unten gelandet. Und wie lange ist es her, seit man bei uns die letzten Kriegsversehrten mit Armprothesen gesehen hat?

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