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Freitag, 18. Januar 2013
Mali (II)

Zu Beginn der französischen Intervention in Mali vor einer Woche erklärte Frankreichs Präsident Hollande, es gehe um die Existenz des "befreundeten Staates, um die Sicherheit seiner Bevölkerung und die unserer Landsleute, es sind 6000 dort". (Tagesschau, 11.1.13) Gestern legte er noch einmal nach: “Wir haben keinerlei wirtschaftliche oder politische Interessen. Uns geht es ausschließlich um den Frieden.” (Tagesthemen, 16.1.13)
Dazu ganz allgemein: wenn der Regierungschef einer führenden Macht auf der Welt solche Phrasen zur Rechtfertigung eines zur gleichen Zeit erfolgenden Eintritts dieser Macht in einen Krieg abläßt, sagt er zumindest nicht die ganze Wahrheit.

Andererseits, so weit sich das militärische Eingreifen in einem anderen Land völkerrechtlich legitimieren läßt, ist Frankreichs Einmarsch in Mali abgesichert. Es gab ein offizielles Hilfsersuchen der malischen Regierung, Frankreichs Intervention ist durch eine einstimmig angenommene Resolution des Weltsicherheitsrats sanktioniert, und vor allem scheint eine breite Mehrheit der Bevölkerung Malis das französische Eingreifen zu begrüßen. Dennoch geht es auch Frankreich in diesem Krieg selbstverständlich nicht ausschließlich um Frieden, Menschenrechte oder sonstige humanitären Vorwände. Die sind Frankreich dort, wo es keine sonstigen oder übergeordnete andere Interessen hat, genauso herzlich egal wie allen anderen Mächten. Oder ist Frankreich letztes Jahr aus Afghanistan abgezogen, weil dort jetzt auf einmal Frieden herrscht und die Menschenrechte geachtet werden? Voilà.

Selbst der Spiegel hat inzwischen herausgefunden: “Als ehemalige Kolonialmacht fürchtet Paris nicht nur eine Gefahr für die rund 7000 in Mali lebenden Franzosen. Auch in Frankreich selber lebt eine große malische Gemeinde. Fiele nun der Norden Malis komplett an die Islamisten und entwickelte sich das Gebiet zu einem neuen Trainingslager von al-Qaida, müsste Frankreich auch im eigenen Land Anschläge und neue Terrorzellen fürchten.” So begründet diese Sorge sein mag, Frankreichs Einfall in Mali erhält damit auch den Charakter eines Präventivkriegs, und ein solcher ist laut Völkerrecht höchstens dann zulässig, wenn ein Angriff auf das eigene Land unmittelbar bevorsteht.
“Daneben verfolgt Paris aber auch wirtschaftliche Interessen”, widerspricht der Spiegel in seinem Mali-Dossier ausdrücklich und begründet den Beteuerungen von Monsieur Hollande. “So liegen rund um Nordmali viele der von Frankreich ausgebeuteten Uranminen, die das Land dringend für seine Atomkraftwerke braucht. Der staatliche französische Atomkonzern Areva fördert Uran in Malis Nachbarland Niger, das inzwischen der größte Uranproduzent des Kontinents ist. Auch in Mali selbst wurde Uran gefunden. Die atomare Unabhängigkeit ist in Frankreich mehr oder minder eine Frage der Staatsräson und ganz oben auf der Agenda jeder Regierung. Entsprechend kam in den vergangenen Tagen bei Kritikern der französischen Intervention schnell der Verdacht auf, es gehe Paris nicht allein um die Bekämpfung von Terroristen. Das militärische Engagement Frankreichs diene "auch der Sicherung seiner eigenen Energieversorgung mit preiswertem Uran aus Malis Nachbarland Niger", erklärte etwa die Gesellschaft für bedrohte Völker.”

Um solchen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, führte auch das Wirtschaftsressort der FAZ einen Präventivschlag, indem es die Bedeutung der in Mali unzweifelhaft vorhandenen Bodenschätze, darunter viel Gold und Uran, für die Wirtschaft Frankreichs erst einmal kleinredete. Mit sehr fadenscheinigen Argumenten. So heißt es, das Uran für die französischen Atomkraftwerke komme gar nicht aus Mali, sondern aus dem Niger. Die beiden aber sind Nachbarländer mit einer über weite Strecken quer durch die Wüste verlaufenden und kaum zu kontrollierenden Grenze. (Wie wenig Grenzen in der Region bedeuten, zeigt die aktuelle Geiselnahme durch die malischen Islamisten in einer Gasförderanlage in Algerien.) Außerdem liegt das Tagebaufördergebiet von Arlitt im Nordwesten Nigers nicht sehr weit von der Grenze zu Mali entfernt. Von dort und einer weiteren Mine im Niger bezieht Frankreich allein ein Viertel, nach anderen Angaben sogar ein Drittel seines gesamten Kernbrennstoffs. Und vor nicht langer Zeit wurden auch in Mali selbst Uranvorkommen entdeckt. Hollandes Vorgänger Sarkozy unseligen Angedenkens hat in seinem “Weißbuch für Verteidigung und nationale Sicherheit” von 2008 die gesamte Sahelzone als zweite von vier für Frankreich wichtigen Weltregionen aufgeführt. Und jetzt will uns Hollande weißmachen, er habe den Krieg dort “ausschließlich” begonnen, um dem Land Frieden zu bringen. Das nennt sogar die Wirtschaftswoche “zynisch”. Und auf Telepolis schrieb Alfred Hackensberger schon im Herbst 2010 von den “wirtschaftlichen Interessen Frankreichs für die nicht nur Niger, sondern die gesamte Sahel-Zone mit ihren reichhaltigen Erdöl-, Mineralien- und Uranvorkommen zu "den vier wichtigsten Regionen" zählt.” Der gründlich recherchierte Artikel aus Anlaß einiger von Frankreich unterstützten Bombenangriffe der mauretanischen Luftwaffe gegen die Islamisten in Mali im September 2010 hält noch immer gute Hintergrundinformationen zum jetzt eskalierten Konflikt bereit.
Paul Melly vom britischen Institut für internationale Beziehungen, Chatham House, hat in seiner Analyse “Why Mali matters” die Gemengelage der involvierten Interessen so zusammengefaßt: “Westafrika ist Europas naher Nachbar. Sicherheit und Wohlstand der Region – oder ihr Fehlen – haben unmittelbare Auswirkungen auf Europa [...] Ist die Region instabil oder in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, schwillt der Strom illegaler Einwanderer an. Werden durch die Sahara Drogen geschmuggelt, landen sie üblicherweise nördlich des Mittelmeers.” Und die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, so Melly weiter, hat der Region in den letzten 15 Jahren nicht nur ökonomischen Aufschwung, sondern, trotz einzelner Rückschläge, auch politische Reformen gebracht.

“If the jihadists breakthrough into southern Mali - demonstrating that in the space of 12 months an entire state could be effectively wrecked by small bands of largely foreign extremists - this would be a devastating reverse for West Africa as a whole. The political development, human rights gains, economic growth and investment confidence of recent years would have been placed in jeopardy.The consequences would be felt in every country from Senegal to Nigeria... That is what is at stake.”

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