Zu ihr gehört ja nicht allein die Freie Syrische Armee (FSA) des Syrischen Nationalrats in der Türkei, die sich vor allem aus Deserteuren von Assads Armee rekrutiert, sondern u.a. auch die Muslimbruderschaft und Ansar al-Islam, eine islamistische Gruppe von Kurden aus dem Irak, die von den USA selbst, aber auch von der EU und vom Weltsicherheitsrat als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Im zweiten Halbjahr 2011 entstand als Ableger von al-Kaida im Irak eine neue Truppe, die zunehmend in Syrien mitmischt, die “Unterstützungsfront für das syrische Volk”, kurz an-Nusra genannt. CNN stufte sie mit bis zu 5000 Kämpfern gerade als “the most effective arm of the Syrian insurgency” ein. Aufschlußreich ist auch, was der österreichische Rundfunk ORF kürzlich über sie zusammengestellt hat:
“Die Al-Nusra-Front bekennt sich nachvollziehbar zu bisher weit über 500 Anschlägen. Die Schätzungen zu ihrer Größe reichen von ein paar hundert bis ein paar tausend Kämpfern, Tendenz steigend. Während die Gruppe zunächst auf Großanschläge mit Hilfe von Selbstmordattentätern setzte - beispielsweise im März auf die Geheimdienstzentrale der Luftwaffe und das Hauptquartier der Kriminalpolizei in Damaskus -, ist sie danach mehr und mehr zu Erschießungen und zum Einsatz kleinerer Sprengsätze übergegangen. Erklärtes Ziel der Terrororganisation ist laut Mitgliedern die Errichtung eines islamischen Kalifats in Anlehnung an die Zeit des Propheten Mohammed im 7. Jahrhundert [...] Die Al-Nusra-Front hat sich rasch regional und international mit anderen Terrororganisationen vernetzt. Sie gilt auch als Wunschziel von Dschihadisten aus Europa und von der Arabischen Halbinsel [...] Diese Aussicht alarmiert viele Syrer, von den Minderheiten der Christen, Alawiten und Schiiten bis hin zu den traditionell konservativen, aber toleranten Sunniten, die eine erzreligiöse Herrschaft im Stil der Taliban in Afghanistan befürchten. Die Kurden riegelten daher bereits ihr Viertel in Aleppo ab, und in der Grenzstadt Ras al-Ain kam es im November zu heftigen Zusammenstößen zwischen Kurden und Al-Nusra-Kämpfern.”
Mit anderen Worten rüsten (a) die internationalen Geldgeber und Unterstützer der Rebellen gegen Assads Regime, das Emirat Qatar, Saudi-Arabien, die Türkei und die USA, auch dschihadistische Terrororganisationen aus, (b) scheinen viele Syrer diese Rebellen inzwischen mehr zu fürchten als Assads Regierungstruppen und (c) scheinen sich die verschiedenen Fraktionen der Rebellen mittlerweile mancherorts gegenseitig zu bekämpfen. Alle drei Erkenntnisse (so sie denn zutreffen) passen so gar nicht zum bisherigen Tenor in unserer Berichterstattung über den Syrienkrieg.
Es kommt womöglich noch etwas hinzu, was ebenfalls dafür sorgt, daß Nachrichten aus Syrien bei uns seltener werden, und das ist die schwindende Siegeszuversicht der Aufständischen. Trotz aller materiellen Unterstützung, die sie erhalten, reichen ihre finanziellen Mittel nämlich anscheinend nicht mehr für eine lange Weiterführung des Kampfes und die Versorgung der von ihnen inzwischen eroberten und kontrollierten Gebiete aus, berichtete die Asia Times letzte Woche in einem längeren Artikel. Darin heißt es u.a.:
“A number of reports indicate that the government forces purposefully surrendered territories with little to no resistance. They would have done this in order to shorten their communication lines and to cut some expenses - but also in order to let the population taste a nightmare version of freedom which would conceivably lead many people to choose Assad's rule as the lesser evil [...] recent reports indicate that the rebels themselves may actively contribute to such an outcome. In-fighting, looting and random abductions have become the order of the day in many places.”
Augenzeugenberichte im Guardian von Ende Dezember bestätigen genau dieses Bild. Die angekündigten Befreier verhalten sich zunehmend wie Wegelagerer, Kriminelle und Besatzer, erpressen Beute mit Gewalt und gehen sich sogar gegenseitig an die Gurgel. “Even the people are fed up with us. We were liberators, but now they denounce us and demonstrate against us”, klagte etwa ein übergelaufener Oberst in Aleppo.
“The problem is us!”, sagte ein anderer. “We have battalions sitting in liberated areas who man checkpoints and detain people... They have become worse than the regime.”
Beobachter befürchten, was der UN-Sondergesandte Brahimi kürzlich gewohnt diplomatisch so ausdrückte: 2013 könnte für Syrien ein blutiges, aber nicht entscheidendes Jahr werden.
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