Sonntag, 1. April 2012
The Ghans
Nachdem wir im LandCruiser die defekte Kühlbox gewechselt hatten, verließen wir Alice am nächsten Morgen in südlicher Richtung. Ein kurzes Stück liefen noch die Schienen der Central Australian Railway neben der Straße her. Auf ihnen fährt ein- bis zweimal pro Woche der legendäre “The Ghan” von Adelaide nach Alice und nach 126 Jahren des Planens und Wartens (Baubeginn 1878) seit 2004 von dort weiter nach Darwin an der Timor-See.
Die Trasse von Oodnadatta nach Alice wurde erst 1929 fertiggestellt. Bis dahin transportierte man Passagiere auf dieser Strecke auf Kamelen.“For 50 years the old Ghan bumped and banged twice a month to Alice Springs over a poorly planned combined jumble of broad and narrow gauge tracks. Prior to 1929 passengers made the final lap by camel.” (New York Times, 16.9.1990)
Die ersten Kamele und ihre Treiber holte man aus dem damaligen Britisch-Indien. Es waren Inder, Türken, Ägypter und Perser darunter, doch egal, wo sie wirklich herkamen, die Australier nannten sie allesamt Afghanen und behandelten sie kaum besser als die Aborigenes, dabei leisteten die "Ghans” einen wichtigen Beitrag zur Erschließung des Landesinneren. Nach ihnen ist nun immerhin der Zug benannt, dessen Trasse sie erkundeten und an deren Bau sie mitarbeiteten. Im Red Kangaroo Bookshop in Alice hatten wir mindestens fünf großformatige Bücher über sie gesehen. Noch eine historische Schuld, die erst heute aufgearbeitet wird.
Wir fuhren den Highway entlang, der nach John McDouall Stuart benannt ist. Er war ein kleiner, zäher Schotte, der in den Jahren 1858-62 als erster Weißer den gesamten australischen Kontinent von Süd nach Nord durchquerte und halb blind und skorbutgeschädigt, aber lebend nach Adelaide zurückkehrte. Er fand die einzige Route, auf der man unterwegs genügend Wasser zum Überleben finden konnte. 1872 folgte man ihr, um die erste transkontinentale Telegrafenleitung zu bauen. Durch sie und ihren Anschluß an ein Tiefseekabel nach Java verkürzte sich die Verbindung zum englischen Mutterland von Monaten auf Tage.
Der Stuart-Highway folgt in etwa der alten Route und ist heute ein 1500 Kilometer weit nach Süden führendes, bequem breites Asphaltband, über dem die Hitze in Schlieren flimmert. Auf den 200 Kilometern bis Erldunda kamen uns genau fünf Fahrzeuge entgegen, zwei davon sogenannte “Road Trains”, überlange LKWs mit drei großen Anhängern. Ihre Fahrer sind über alles erbost, was sie zum Ausweichen oder gar Anhalten zwingen könnte, wie etwa ein am Straßenrand haltender Jeep, dessen Fahrer ihm unbekannte Gräser und andere Pflanzen fotografiert.
Wir hatten uns das Outback als Wüste aus rotem Staub vorgestellt, aber die Wüste war grün.
Die rote Erde war von einemTeppich aus frischem Gras überzogen, und auch die von den letzten Buschfeuern schwarz verkohlten Stämme der Bäume hatten wieder ausgeschlagen und waren voll grüner Triebe und Blätter. Mit Abstand die häufigsten höheren Pflanzen waren der unverwüstliche Rundblättrige oder Blaugrüne Salzbusch (Atriplex nummularia) und die Desert Oaks aus der Familie der Kasuarinengewächse (Allocasuarina decaisneana). Sie sind feuerresistent und gedeihen in wasserarmen und heißen Gegenden, weil sie sehr tief reichende Wurzeln haben, ihre Blätter hingegen so zurückgebildet sind, daß man die dünnen Zweige für Nadeln halten könnte. Junge Wüstenkasuarinen stehen wie überdimensionierte Flaschenbürsten in der Landschaft. Erst die älteren Bäume bilden so etwas wie eine schüttere Krone aus. Zur Verbreitung werfen sie mit stacheligen Zapfen um sich, die mittelalterlichen Streitkolben ähneln.
Aus der Wüste war nach ergiebigen Regenfällen eine blühende Savanne geworden.
Jeder, der uns am Abend zurück in Alice nach unserem ersten Ausflug in die “Wüste” fragte, wies uns nachdrücklich darauf hin, in welchem Ausnahmezustand wir das Land erlebten. Wie viel Regen in den Tagen vor unserem Eintreffen gefallen war, erfuhren wir erst, als wir uns nach dem Zustand der Offroad-Pisten erkundigten. Die allermeisten von ihnen waren selbst für geländegängige Fahrzeuge gesperrt, wegen Überflutung! Oder weil der rote Staub zu einem bodenlosen Morast geworden war, aus dem sich auch Allradler nicht mehr eigenständig herauswühlen konnten. In den nächsten Tagen sollte dieser Schlamm unter der heißen Sonneneinstrahlung betonhart ausbacken.
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