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Mittwoch, 25. Januar 2012
“Oh, wie schön ist Panama!”
Der Weg dorthin ist zwar bekanntlich mindestens dreimal doppelt so weit, wie man dachte. “Aber am Ende wartet vielleicht das Paradies auf uns, Tiger.” – Er landete in der Apokalypse. Genau die Zivilisation, der er den Rücken kehren wollte, fraß sich buchstäblich quer durch das Land, das Alexander von Humboldt für zu gebirgig gehalten hatte, um es mit einem Kanal zu durchstechen.
Was den französischen Versuch unter Federführung von Ferdinand de Lesseps angeht, sollte Humboldt recht behalten. In den neun Jahren Bauzeit starben an jedem einzelnen Tag mehr als sieben Arbeiter, die meisten an Malaria. 22000 Tote kostete der Panamakanalbau bis zum Abbruch der Bauarbeiten 1889. Für die Überlebenden und Schuftenden war das völlig überfüllte, von Sumpffieber verseuchte Höllenloch Colón auch noch teuer. “Oviri” (wie er sich später selbst gern nannte), sah sich bald gezwungen, Arbeit im Heer der Lohnsklaven anzunehmen und in tropischer Hitze tagtäglich zwölf Stunden die Spitzhacke zu schwingen. Vom Lohn der ersten zwei Wochen kaufte er sich eine Schiffsfahrkarte und floh nach Martinique.
Nein, nicht schön war Panama, aber die Antilleninsel war es. Er blieb ein halbes Jahr und malte nicht nur wie im Fieber. Er hatte Fieber. Wahrscheinlich Ruhr und Malaria, die er sich in Panama zugezogen hatte. Vielleicht auch schon die Syphilis. So viel zum Leben. Künstlerisch bedeutete der kurze Aufenthalt den Großen Sprung nach vorn.
Auch Martinique war natürlich längst nicht mehr das vorkoloniale Tropenparadies, das er sich erträumt hatte, aber noch genug war anders als in Europa, um vielleicht fast vergessene, warme, gefühlvolle Erinnerungen an seine frühesten Kindheitsjahre in Peru in ihm wachzurufen, wie sein Biograf vermutet, und ihn vor allem auch sinnlich zu stimulieren. In einer kleinen case à nègre auf einer aufgegebenen Plantage am Rand des Örtchens Le Carbet lebte er tatsächlich von den Früchten an den Bäumen und außerhalb der weißen Kolonialgesellschaft vor allem unter Schwarzen, die er unermüdlich in ihren alltäglichen Verrichtungen beobachtete, skizzierte und malte. Besonders die Frauen von Le Carbet waren als Trägerinnen für ihre Ausdauer und elegante Haltung berühmt. “Fast alle sind farbig von dunklem Ebenholz bis zu einem dunkelhäutigen Weiß und sie gehen so weit, sogar das Obst zu verhexen, um in deine Arme zu kommen. Vorgestern hat mir eine junge Schwarze von 16 Jahren und verdammt hübsch ein Stück Guave angeboten.” Das schrieb er nicht etwa einem Freund, sondern, in welcher Absicht auch immer, seiner Frau im fernen Kopenhagen. Dem Freund in Paris schrieb er: “Was ich so bezaubernd finde, sind diese Figuren. Jeden Tag herrscht hier ein Kommen und Gehen schwarzer Frauen, in ihrer ganzen Farbenpracht herausgeputzt und in ihrer endlosen Vielfalt graziöser Bewegungen.” Die fing er in seinen Skizzen ein und stilisierte sie in rund einem Dutzend ausgeführter Gemälde auf eine Weise, “die eindeutig mit dem flüchtigen Impressionismus eines Pissarro bricht - an entirely invented lushness” (Sweetman).
Im August ging es ihm so schlecht – er war inzwischen völlig abgemagert und hatte fortwährend Magenkrämpfe –, daß er den Aufenthalt im Paradies abbrechen mußte. Rückblickend schrieb er später in Paris: “Auf Martinique machte ich eine entscheidende Erfahrung. Nur dort fühlte ich mich wirklich als ich selbst, und man muß mich mehr als in den Werken aus der Bretagne in meinen Bildern suchen, die ich von Martinique mitbrachte, wenn man wissen will, wer ich bin.”

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