Montag, 24. Oktober 2011
Freiburger Bächle
Auch nach der Buchmesse geht meine “Teebeutelsaison” weiter. (So genannt, weil man beim Umherreisen in deutschen Hotels nach wie vor bloß diese Beutelaufbrühungen, aber keinen gescheiten Tee bekommt.) Nach Frankfurt kam Freiburg, nicht bloß im Alphabet, sondern wirklich. Frühere Studentengenerationen, denen es wohl vergleichsweise gut gegangen sein muß, pflegten dort ihre Wintersemester zu verbringen, nach der Devise: Sommersemester in Kiel zum Segeln, Wintersemester in Freiburg zum Skilaufen. Unter diesem Blickwinkel war ich etwas zu früh da. Noch kein Schnee auf den Schwarzwaldhängen. Dafür hielt sich dichter, naßkalter Nebel hartnäckig tagelang. Und ich hatte gedacht, ich käme in die sonnigste und wärmste Gegend Deutschlands. Pustekuchen! Kalt war’s, fies naßkalt. Da lernte man fast die Dauernichtwärme an der Nordsee schätzen.
Sicher hat die klamm-kalte Atmosphäre dazu beigetragen, beim Besucher nicht unbedingt Begeisterung für Freiburg aufkommen zu lassen. Was soll man auch von einer Stadt halten, die “Bächle”, auf Hochdeutsch Abwasserkanäle, zu ihren Wahrzeichen erklärt. Dabei ist die Stadt nicht einmal reinlichkeitsfixiert protestantisch, sondern im Gegenteil so katholisch wie das tiefste Bayern, ja so katholisch, daß der bayerische Papst Ratzinger gerade erst die teuren Abdrücke seiner roten Lederschühchen dort hinterlassen hat. (Was die Stadtkasse rund 300.000 Euro kostete.) Der Mann glaubt wohl von sich, große Abdrücke zu hinterlassen. Doch in der Hinsicht mache ich mir keine Sorgen.
Besuche historisch überlebter Potentaten haben in Freiburg übrigens Tradition. Im Frühjahr 1770 errichtete die Stadt der fünfzehnjährigen österreichischen Erzherzogin, die unter ihrem französisierten Namen Marie-Antoinette bekannt ist, auf ihrem Weg zur Hochzeit mit dem französischen Thronfolger Louis (XVI.) ein gar prächtiges Rokoko-Ehrenpförtchen.
23 Jahre später wurde die Witwe Capet auf der Place de la Concorde in Paris öffentlich guillotiniert.
Der Turm des Freiburger Münsters mußte nach dem Papstgebet eingerüstet werden, um ihn erigiert zu halten. Ratzingers Gebetstext “Siehe, ich bin die Magd des Herrn... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt”, hätte ihn sonst zu augenblicklichem Erschlaffen gebracht, sollte aber wohl nicht als persönliches Bekenntnis zum Thema Kindesmißbrauch durch Geistliche verstanden werden.
Die Bächle waren (zum Glück trockene) Stolperfallen in der Nacht, und überhaupt hat Freiburg leider kein Wasser im Stadtbild. Komme mir jetzt niemand mit der Dreisam! Hätte Heine in Freiburg studiert und nicht in Göttingen, hätte er das gleiche über die Dreisam geschrieben, was er in der Harzreise über die Leine schrieb. Oder Schlimmeres, denn sie war schon zu seiner Zeit vollständig kanalisiert. Die sonst im Dreisam-Stadion kickenden Fußballer des SC Freiburg kassierten an diesem Wochenende auswärts eine Niederlage gegen Allgäuer-Latschenkiefer Kaiserslautern, die sie ans Ende der Bundesligatabelle fallen ließ. Meine Gastgeber bemerkten dazu, daß vielleicht auch die traditionsreiche Albert-Ludwigs-Universität, kurz Alu, lange ein habsburgisch-jesuitisches Bollwerk gegen die Reformation und anderes Teufelswerk, trotz zehn Nobelpreisträgern v.a. aus den Naturwissenschaften und ihrer Anstrengungen, den Exzellenz-Status ans Revers geheftet zu bekommen, eher in den Tabellenkeller deutscher Universitäten gehören könnte. Dazu kann ich nichts sagen, doch wenn ich mich an - in welcher Richtung auch immer - exzellente Denker der Freiburger Universität zu erinnern versuche, fallen mir zuerst Husserl ein und dann, in trauriger Antiklimax, dessen Schüler und Nachfolger, das NSDAP-Mitglied Heidegger u.a. mit seiner berüchtigten Rektoratsrede vom Mai 1933. Aber das sollte man nicht Freiburg allgemein vorhalten, denn andere deutsche Universitäten haben sich in dieser Hinsicht genauso unrühmlich verhalten, etwa die Uni Bonn, als sie 1936 Thomas Mann die 1919 verliehene Ehrendoktorwürde aberkannte, was dieser in einem offenen Brief in der Neuen Zürcher Zeitung mit den folgenden Zeilen aus einem Sonett Platens quittierte:
Sicher hat die klamm-kalte Atmosphäre dazu beigetragen, beim Besucher nicht unbedingt Begeisterung für Freiburg aufkommen zu lassen. Was soll man auch von einer Stadt halten, die “Bächle”, auf Hochdeutsch Abwasserkanäle, zu ihren Wahrzeichen erklärt. Dabei ist die Stadt nicht einmal reinlichkeitsfixiert protestantisch, sondern im Gegenteil so katholisch wie das tiefste Bayern, ja so katholisch, daß der bayerische Papst Ratzinger gerade erst die teuren Abdrücke seiner roten Lederschühchen dort hinterlassen hat. (Was die Stadtkasse rund 300.000 Euro kostete.) Der Mann glaubt wohl von sich, große Abdrücke zu hinterlassen. Doch in der Hinsicht mache ich mir keine Sorgen.
Besuche historisch überlebter Potentaten haben in Freiburg übrigens Tradition. Im Frühjahr 1770 errichtete die Stadt der fünfzehnjährigen österreichischen Erzherzogin, die unter ihrem französisierten Namen Marie-Antoinette bekannt ist, auf ihrem Weg zur Hochzeit mit dem französischen Thronfolger Louis (XVI.) ein gar prächtiges Rokoko-Ehrenpförtchen.
23 Jahre später wurde die Witwe Capet auf der Place de la Concorde in Paris öffentlich guillotiniert.
Der Turm des Freiburger Münsters mußte nach dem Papstgebet eingerüstet werden, um ihn erigiert zu halten. Ratzingers Gebetstext “Siehe, ich bin die Magd des Herrn... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt”, hätte ihn sonst zu augenblicklichem Erschlaffen gebracht, sollte aber wohl nicht als persönliches Bekenntnis zum Thema Kindesmißbrauch durch Geistliche verstanden werden.
Die Bächle waren (zum Glück trockene) Stolperfallen in der Nacht, und überhaupt hat Freiburg leider kein Wasser im Stadtbild. Komme mir jetzt niemand mit der Dreisam! Hätte Heine in Freiburg studiert und nicht in Göttingen, hätte er das gleiche über die Dreisam geschrieben, was er in der Harzreise über die Leine schrieb. Oder Schlimmeres, denn sie war schon zu seiner Zeit vollständig kanalisiert. Die sonst im Dreisam-Stadion kickenden Fußballer des SC Freiburg kassierten an diesem Wochenende auswärts eine Niederlage gegen Allgäuer-Latschenkiefer Kaiserslautern, die sie ans Ende der Bundesligatabelle fallen ließ. Meine Gastgeber bemerkten dazu, daß vielleicht auch die traditionsreiche Albert-Ludwigs-Universität, kurz Alu, lange ein habsburgisch-jesuitisches Bollwerk gegen die Reformation und anderes Teufelswerk, trotz zehn Nobelpreisträgern v.a. aus den Naturwissenschaften und ihrer Anstrengungen, den Exzellenz-Status ans Revers geheftet zu bekommen, eher in den Tabellenkeller deutscher Universitäten gehören könnte. Dazu kann ich nichts sagen, doch wenn ich mich an - in welcher Richtung auch immer - exzellente Denker der Freiburger Universität zu erinnern versuche, fallen mir zuerst Husserl ein und dann, in trauriger Antiklimax, dessen Schüler und Nachfolger, das NSDAP-Mitglied Heidegger u.a. mit seiner berüchtigten Rektoratsrede vom Mai 1933. Aber das sollte man nicht Freiburg allgemein vorhalten, denn andere deutsche Universitäten haben sich in dieser Hinsicht genauso unrühmlich verhalten, etwa die Uni Bonn, als sie 1936 Thomas Mann die 1919 verliehene Ehrendoktorwürde aberkannte, was dieser in einem offenen Brief in der Neuen Zürcher Zeitung mit den folgenden Zeilen aus einem Sonett Platens quittierte:
„Doch wer aus voller Seele haßt das Schlechte,
Auch aus der Heimat wird es ihn verjagen,
Wenn dort verehrt es wird vom Volk der Knechte,
Weit klüger ist’s dem Vaterland entsagen,
Als unter einem kindischen Geschlechte
Das Joch des blinden Pöbelhasses tragen.“
... comment