Freitag, 7. Oktober 2011
Zürich, Lindenhof
Der Zeit hat Frischs erste Frau Marianne erzählt, daß der Schriftsteller Besucher immer auf den Lindenhof geführt habe. Als gebürtiger Zürcher wußte Max Frisch natürlich, daß dieser erhöhte Ort mit der schönen Aussicht über Fluß und Stadt ihre früheste Keimzelle war. Im 18. Jh. fand man dort einen römischen Grabstein mit der Inschrift: “Hic situs est / L. Ael(ius) Urbicus / qui vixit an(no) / uno m(ensibus) V d(iebus) V”. “Hier liegt Lucius Aelius Urbicus, der ein Jahr, fünf Monate und fünf Tage lebte.” Sein Vater bezeichnet sich als Freigelassener des Kaisers und Kommandant der Zollstation TUR(i)CEN(sis). Damit ist der Ortsname also schon im späten 3. Jh. belegt.
Nach dem Zusammenbruch des Römerreichs und nach dem Untergang der Burgunden im Jahr 532 verschmolzen die gallorömischen Bewohner mit den eindringenden und in der Umgebung sich ansiedelnden Alemannen, die bereits vor den Burgunden von den Franken unterworfen worden waren.
Als die frühen Karolinger im 8. Jh. aktiv gegen die Langobarden und Byzanz zugunsten der Päpste in Italien einzugreifen begannen, wuchs der alten Zollstation an der Limmat neue Bedeutung als Etappenlager zu. Daß Karl der Große selbst nach Zürich gekommen sein und dort eine Kirche, das spätere Großmünster, gegründet haben soll, gehört wohl eher ins Reich frommer Legende. Doch sein Enkel, Ostfrankenkönig Ludwig der Deutsche, ließ "in castro Turicino iuxta fluvium Lindemaci" eine Pfalz erbauen, die im Jahr 853 erstmals schriftlich erwähnt wird. Für seine Tochter Hildegard stiftete er außerdem ein Frauenkloster, das spätere Fraumünster. Damit war der Grundstein gelegt für den Aufstieg Zürichs zum Wallfahrtsort und zur Stadt. Hier auf der von Linden beschatteten Terrasse über Fluß und Altstadt, wo jetzt mittags Damen in grauen Kostümchen und Herren in dunklen Anzügen eilig unterwegs gekaufte Lunchboxen auslöffeln, liegt also der Grundstein für ihr geschäftiges Treiben.
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