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Dienstag, 18. November 2008
Gulating Fortsetzung

Die Gründe liegen so nah, wie es nur geht. Zunächst einmal war das Thing von Gulen dasjenige, das Island damals tatsächlich am nächsten lag. Der Bezirk Gulen, südlich der Mündung des Sognefjords, ist so ziemlich die westlichste Gegend Norwegens, und die meisten frühen Auswanderer nach Island kamen aus dem Westen Norwegens. Zweitens scheint das Recht in diesem Thingbezirk umfassender, besser oder weitgehender als in anderen Thingversammlungen formuliert gewesen zu sein, denn als die norwegischen Könige später ein landeseinheitliches Gesetzbuch zusammenstellen ließen, bildete wiederum das Gulathingsrecht die Grundlage. Außerdem gab es für Úlfljótur einen ganz persönlichen Grund. Da er von Ari als austrænn (“aus dem Osten”) bezeichnet wird, kam er selbst aus Norwegen (und nicht etwa von den britischen Inseln, dem zweiten Herkunftsgebiet von Einwanderern nach Island). Schlägt man in der zweiten wichtigen Quelle zur Besiedlung Islands, der Landnámabók, nach, dann erfährt man dort, daß Úlfljótur mit dem weisen Þorleifur, der maßgeblich an den Gulathingsgesetzen beteiligt war, verwandt, genauer gesagt sein Neffe war. Weiter erfährt man, daß Úlfljótur einem anderen Siedler im südöstlichsten Teil der Insel sein Land abkaufte. Vielleicht gehörte er gar nicht zu den “Landnehmern” der ersten Generation. Aber vermögend, klug, aus guter Familie und dementsprechend angesehen muß er gewesen sein, denn sonst hätten die Siedler, die sich Recht und Gesetz geben wollten, kaum ausgerechnet ihn zu diesem Zweck in die alte Heimat zurückgesandt.
Wann? Als Island “weithin besiedelt war”. Ein Kapitel später schreibt Ari, die Insel sei sechzig Winter nach ihrer Entdeckung (um 870) albyggt, vollständig besiedelt gewesen. Ein paar Jahre vorher muß die Reise Úlfljóturs also stattgefunden haben. Vielleicht um 925. Denn nachdem er wieder zurück war, schreibt Ari der Gelehrte (inn fróði) weiter, habe Úlfljótur seinen Ziehbruder Grímr auf eine Erkundungsreise rund um die Insel geschickt. Vielleicht als Meinungsforscher, der in einer Umfrage die Zustimmung zu Úlfljóturs Gesetzesinitiative erkunden sollte. Vielleicht aber auch aus einem weiteren Grund. Anschließend schlug Úlfljótur nämlich vor, man solle zusätzlich zu den regionalen Thingversammlungen ein für alle Isländer gemeinsames Thing einrichten, und er schlug auch gleich einen dazu geeigneten Ort vor. Im Jahr 930 gründeten die Isländer “auf Rat Úlfljóts und aller Landsleute” das Althing in Þingvellir. Dort wählten sie Úlfljótur zu ihrem Gesetzessprecher. Es wurde das einzige staatliche Amt, das die unabhängige Bauernrepublik Island während ihrer Freistaatzeit erlaubte.
Und heute stehe ich da, wo sich Úlfljótur seinerzeit juristischen Rat holte, am Gulathing in Eyvindsvik. Den möglichen Versammlungsort hat ein Gegenwartskünstler mit Segmenten einer hohen Mauer verstellt, aber sonst ist es ein schöner Ort an einer Bucht des Gulafjord. Authentisch sind die beiden hohen angelsächsischen Steinkreuze, die vermutlich bald nach der Christianisierung aufgestellt wurden. Das eine so über der sicher vordem heidnisch verehrten, dann dem hl. Olav geweihten Heilquelle aufgepflanzt, daß es genau auf der Schattengrenze am Tag der Wintersonnenwende steht.

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