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Samstag, 6. September 2008
Altweibermärchensommer

Der singende Anarchist und das zensierte Interview

September. Die größte Hitze des Hochsommers scheint endlich gebrochen (lacht da jemand leicht bitter auf?), wenn die Sonne scheint, tut sie es mild, der Wind kommt frischer über die Nordsee gebraust.
Zeit, sich langsam auf den kommenden Herbst einzustimmen. Zum Beispiel, indem man ein paar alte Schallplatten aus dem Keller holt, deren Musik so schön zum Herbst passt wie die des Pfeife rauchenden Anarchisten Georges Brassens selig. Lange nicht gehört, wie? Ich, zugegeben, auch nicht. Aber zum spätsommerlichen Rauschen der hohen Pappel oder dem frühherbstlichen Rauschen des Regens passen seine der Tristesse zum Trotz fröhlich hüpfende Gitarre und seine warme Stimme wie ein leichter Rotwein. Ganz recht, schwerer Burgunder schmeckt mir nicht. Der Esprit dieses selbsterklärten Unkrauts mit schlechter Reputation umso mehr. Die rührt wohl auch daher, dass der inzwischen zum Lektürekanon für französische Schüler gehörende Georges-Charles Brassens kurz nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Kürzel G.C. ein Jahr lang etliche Artikel für die Anarchistenzeitung Le Libertaire geschrieben hat, in denen es schon einmal hieß: "Man sei vergewissert: der Tag wird kommen [...], an dem die Sonne über einer neuen, endlich aller Polizisten ledigen Welt aufgeht [...] Vertrauen wir auf den Tod. Er wird uns nicht enttäuschen” (11. 10. 1946) Auch später hat er sich nie davon distanziert:
“Ich bin Mitglied einer Bewegung gewesen, der libertären Bewegung, und eigentlich habe ich sie nie verlassen. Ich habe nie einen Mitgliedsausweis besessen und bin nie ausgetreten [...] Ich bin ein bißchen vom Aktivismus abgerückt, wenn Sie so wollen. Was die anarchistische Moral und Philosophie angeht, habe ich mich aber kein bißchen bewegt [...] Jeder hatte von der Anarchie seine ganz persönliche Vorstellung. Das ist es ja eben, nebenbei, was so spannend ist: daß es kein wirkliches Dogma gibt. Es ist eher eine Moral, eine Art, das Leben zu begreifen, glaube ich." -

Je suis la mauvaise herbe, braves gens.”

Nachtrag
Die scheinbare Leichtigkeit in seinen Liedern täuscht Unbekümmertheit oft nur vor oder setzt sich vorsätzlich über die eigentlich beschriebene Misere hinweg. Und auch hier sollen nicht auf einmal Friede, Freude und frühherbstliche Eierkuchen verkündet werden, als hätte es im Kaukasus nicht gerade geknallt und würden die USA und Russland nicht in der ganzen Region Brust gegen Brust Positionen aufbauen. Darum als Ergänzung zu meinen eigenen Beiträgen in der letzten Woche der längst überfällige Hinweis auf den oft gut informierten und höchst interessanten Blog des Spiegelfechters.
Da sollte man sich übrigens auch mal den gesamten Wortlaut des Interviews von ARD-Korrespondent Thomas Roth mit Wladimir Putin ansehen, besonders die rot markierten Stellen, die vor der Ausstrahlung der Schere zum Opfer gefallen sind. Man bekommt einen sehr schönen Eindruck, welche Aussagen im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen offenbar nicht genehm sind als überflüssig angesehen werden.

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