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Donnerstag, 24. Juli 2008
Das rasche Ende von Burgunds Traum
Der Sohn des guten Philipp von Burgund, Karl mit dem Beinamen der Kühne, in dem allerdings eher ein unflexibles bis verbohrtes und unbesonnenes tollkühn mitschwingt, will noch mehr als sein Vater. Philipp hat 1435 im Vertrag von Arras auf Lebenszeit die Unabhängigkeit seiner französischen Lehen von der Krone Frankreichs erreicht, Karl will selbst eine Krone. Er will aus Burgund ein unabhängiges Königreich zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich machen und laviert entsprechend zwischen den beiden übermächtigen Nachbarn. Nacheinander ehelicht er eine Tochter des französischen Königs, nach deren frühem Tod eine Cousine, die ebenfalls früh stirbt, ihm aber immerhin eine Tochter hinterlässt. Sie wird zum Faustpfand in Karls Plänen, ganz nach oben zu kommen. Im September 1473 reitet er in einer vergoldeten Rüstung an der Spitze einer Truppe von 6000 Mann in Trier ein, trifft sich dort mit Kaiser Friedrich III., der “Erzschlafmütze” des Reichs, und bietet dem Habsburger sein eigenes Herzogtum Burgund als Mitgift für eine Heirat zwischen seiner Tochter Maria und Friedrichs Sohn Maximilian an. Kleine Gegenleistung: Friedrich soll dafür sorgen, dass Karl zum Römischen König und damit designierten Nachfolger als Kaiser gewählt wird. Nach zwei Monaten des Sondierens, Verhandelns und natürlich Bankettierens bekommt der Kaiser kalte Füße. Karl ist vierzig und könnte in seiner dritten Ehe mit der englischen Königstochter Margarete durchaus noch einen Sohn bekommen, der Maximilians Erbansprüche zunichte machen würde. Friedrich, der Kaiser, empfiehlt sich durch die Hintertür und reist überstürzt ab.

Nachdem dieser Plan geplatzt ist, setzt Karl alles daran, seine noch getrennten Besitzungen in den oberen und niederen Landen durch territoriale Erweiterungen zu einem zusammenhängenden Reich zu vereinen. Das ihm vom österreichischen Erzherzog Sigismund gegen Geld verpfändete Elsass rückt er nicht mehr heraus, als der das Pfand wieder einlösen will, zudem erhebt er Ansprüche auf Lothringen und nimmt nach einer Belagerung dessen Hauptstadt Nancy ein. In der Zwischenzeit aber hat sein großer Gegenspieler, Ludwig XI. von Frankreich, auf diplomatischem Weg einen historischen Ausgleich zwischen den Erzfeinden Habsburg und der Schweizer Eidgenossenschaft zustande gebracht, wodurch die schlachterprobten und reichlich mit französischen Hilfsgeldern versehenen Schweizer endlich ihre Aufmerksamkeit von Osten auf die bedrohlich zunehmende Macht im Westen umlenken können. Dort marschiert Karl nämlich schon durch das savoyische Waadtland, um sich mit Truppen aus Savoyen gegen Bern zu vereinigen und es anzugreifen. Die eidgenössische Garnison von Grandson lässt er trotz Zusicherung freien Geleits bis auf den letzten der 412 Männer aufknüpfen, doch die anrückenden “Gewalthaufen” der Berner bringen der modernsten Armee Europas, die aus Soldrittern, englischen Bogenschützen, Artillerie und Arkebusieren besteht, im März 1476 eine empfindliche Niederlage bei. Die reiche “Burgunderbeute”, die die Eidgenossen machen, wird sprichwörtlich. Im Juni schließt der nach Lausanne entflohene Herzog mit seinem wiederversammelten Heer das an der Straße nach Bern liegende und mit diesem verbündete Murten ein, wodurch der eidgenössische “Bündnisfall” ausgelöst wird. Am 22. Juni marschieren die vereinten Schweizer, verstärkt durch 1800 lothringische Reiter, im Rücken der Belagerungsarmee auf und töten in der anschließenden Schlacht an die 10.000 Burgunder. Karl zieht sich mit den geschlagenen Resten seines Heeres nach Lothringen zurück und führt es mit frischen Kräften erneut gegen Nancy, das er trotz des nahenden Winters einschließt. Am 5. Januar stürmen die vereinten Lothringer und Schweizer die von Mannschaften entblößten Belagerungsstellungen der Burgunder. Herzog Karl geht in der tumultuarischen Flucht verloren. “Tage später finden Männer aus seiner Entourage im Morast den toten Herrn. Der Kopf ist auf der einen Seite eingefroren in die geborstenen Eisschollen eines Tümpels und auf der anderen von einem Hellebardenhieb entstellt. Am nackten Leib sind Lanzenstiche zu sehen, auch ist er von Wölfen angenagt.” (Weltwoche, 15/08) Ausgerechnet die rohen Schweizer Fußsoldaten, auf die Europas verfeinertster Aristokrat bloß mit Verachtung herabsah, hatten ihn dreimal hintereinander geschlagen und schließlich aus dem Sattel gestoßen.
Noch im gleichen Jahr heiratete der achtzehnjährige Erzherzog Maximilian von Österreich die ihm versprochene Alleinerbin Maria von Burgund. Abgesehen von den französischen Lehen, die Ludwig XI. erobern konnte, kamen damit die reichen burgundischen Territorien der Oberen und Niederen Lande an Habsburg und trugen sehr substanziell zum weiterem Aufstieg seiner bald weltumspannenden Dynastie bei. Die überblähte burgundische Seifenblase war geplatzt. Brüssel und die Niederlande gehörten jetzt dem Haus Habsburg.

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