Freitag, 4. Juli 2008
4th of July
Zur Feier des Tages weihen die USA heute - an ihrem Nationalfeiertag und neun Jahre, nachdem das Gebäude ursprünglich fertig werden sollte, - ihre neue Botschaft in Berlin, gleich neben dem Brandenburger Tor ein. Keine ganz unprominente Lage, und die Stadt hielt im Rahmen ihrer Mitsprachemöglichkeiten sehr darauf, dass hier ein dem geschichtlichen Ort und seiner Bedeutung angemessener Neubau errichtet würde. Das Ergebnis ist, gelinde gesagt, umstritten, wie ein Blick in die Tagespresse zeigt.
"Die Fenster sind so klobig geraten wie die osteuropäischer Grundschulen. Die Gitter darüber sehen aus, als wollte hier einer Riesenburger grillen", mäkelt etwa Jens Bisky in der Süddeutschen. Auch für Christian Thomas von der FR hat gerade die Schauseite des Baus "etwas regelrecht Speckiges". Dem Resultat vieler nachträglicher Änderungen sei "das Trauma des 11. September 2001 eingeschrieben. Kein Detail, das vom State Departement nicht auf seine Sicherheitsstandards abgeklopft wurde... Für das abweisende Gebäude, das symbolisch eine Festung sein soll, wurden Straßenverläufe verlegt, Bürgersteige zurückgesetzt und Poller ins Pflaster eingepflanzt, die Kettenfahrzeuge aufhalten." Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann sprach kürzlich vom "verpollerten Gesicht der USA".
Am strengsten ging aber die FAZ schon Ende April mit dem Neubau ins Gericht. Ich glaube der Rechtspresse ja sonst grundsätzlich nicht, aber wie Niklas Maak da vom Leder zog, das hatte ehrliche Entrüstung und glaubwürdige Wucht und Elan. "Die Fenster der amerikanischen Botschaft wirken, als hätte sie ein pleitegegangener Bungalowbesitzer in einem Baumarkt bei Fargo gekauft, um seine Behausung für den Winter dicht zu kriegen", polterte er los. "Solche Fenster sind genau das, was mit der kritischen Rekonstruktion verhindert werden sollte, der Einmarsch der industriell gefertigten Wegwerfästhetik, der Plastikkultur der Vorstädte ins alte Zentrum. Und selbst Klimaapokalyptiker können nicht erklären, was man in einer Stadt wie Berlin, deren Himmel lange neun Monate so tiefgrau ist wie der Asphalt unter ihm, mit Sonnenbrechern über den Fenstern will, die sogar der saudi-arabischen Mittagssonne Angst machen würden. Und dann die seltsamen, jede Altbausuggestion ramponierenden, grün spiegelnden Glasschatullen, die an der Fassade angedockt sind: Solche Materialien, solche Formen verwendet man bei südarmenischen Tankstellen zur Befestigung des Kassiererhäuschens. - Die Botschaft dieser Botschaft ist im Kern eine Mischung aus Hysterie und Nostalgie. Die neue amerikanische Botschaft in Berlin passt zu diesen nostalgischen Träumen - sie ist die Ritterburg, die man sich im Baumarkt zusammenbasteln kann." Andererseits gebe es "außer Bunkern und Pestiziderprobungszentren" kaum ein modernes Gebäude, das sich dem öffentlichen Raum gegenüber so "hysterisch zugekrempelt" gibt wie diese Botschaft. Im oberen, der Behrenstraße zugewandten Fassadenteil findet man überhaupt keine Fenster, wozu einige Passanten im Vorübergehen schon geäußert hätten, "dort oben befände sich wohl der Wellness- und Waterboardingbereich".
"Die Botschaft", resümierte Maaks, "ist das Bild eines von 9/11 und den Globalisierungsfolgen traumatisierten Landes, einer Nation, die so gepanzert ist, dass sie die Welt nicht mehr sehen kann", und holte zum gar nicht FAZ-üblichen Rundumschlag gegen Amerika aus:
"Die neue Botschaft legt in all ihren Details eine Material- und Verarbeitungsschwäche an den Tag, die symptomatisch für die Vereinigten Staaten ist und fast alle Produktbereiche betrifft. Wer einmal das Innere eines normalen amerikanischen Autos gesehen hat, kann nicht glauben, dass so etwas allen Ernstes in einer der führenden Industrienationen hergestellt wird... Seit rund drei Jahrzehnten hat Amerika kein einziges ernstzunehmendes Auto mehr hervorgebracht... Dieses Land scheint nach der Ölkrise 1973 seine ästhetische Kultur verloren zu haben: Außer Apple-Computern, Nike-Turnschuhen und iPods gibt es heute kaum noch optisch wegweisende amerikanische Industrieprodukte. -
Amerika reißt ein Stück aus seiner Mitte, knallt eine durchschnittliche Provinzverwaltungszentrale aus New Jersey an den Pariser Platz, die den Deutschen zeigt, wie große Teile von Amerika halt gerade aussehen; schlecht verarbeitet, verängstigt, nostalgisch, heruntergekommen."
"Die Fenster sind so klobig geraten wie die osteuropäischer Grundschulen. Die Gitter darüber sehen aus, als wollte hier einer Riesenburger grillen", mäkelt etwa Jens Bisky in der Süddeutschen. Auch für Christian Thomas von der FR hat gerade die Schauseite des Baus "etwas regelrecht Speckiges". Dem Resultat vieler nachträglicher Änderungen sei "das Trauma des 11. September 2001 eingeschrieben. Kein Detail, das vom State Departement nicht auf seine Sicherheitsstandards abgeklopft wurde... Für das abweisende Gebäude, das symbolisch eine Festung sein soll, wurden Straßenverläufe verlegt, Bürgersteige zurückgesetzt und Poller ins Pflaster eingepflanzt, die Kettenfahrzeuge aufhalten." Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann sprach kürzlich vom "verpollerten Gesicht der USA".
Am strengsten ging aber die FAZ schon Ende April mit dem Neubau ins Gericht. Ich glaube der Rechtspresse ja sonst grundsätzlich nicht, aber wie Niklas Maak da vom Leder zog, das hatte ehrliche Entrüstung und glaubwürdige Wucht und Elan. "Die Fenster der amerikanischen Botschaft wirken, als hätte sie ein pleitegegangener Bungalowbesitzer in einem Baumarkt bei Fargo gekauft, um seine Behausung für den Winter dicht zu kriegen", polterte er los. "Solche Fenster sind genau das, was mit der kritischen Rekonstruktion verhindert werden sollte, der Einmarsch der industriell gefertigten Wegwerfästhetik, der Plastikkultur der Vorstädte ins alte Zentrum. Und selbst Klimaapokalyptiker können nicht erklären, was man in einer Stadt wie Berlin, deren Himmel lange neun Monate so tiefgrau ist wie der Asphalt unter ihm, mit Sonnenbrechern über den Fenstern will, die sogar der saudi-arabischen Mittagssonne Angst machen würden. Und dann die seltsamen, jede Altbausuggestion ramponierenden, grün spiegelnden Glasschatullen, die an der Fassade angedockt sind: Solche Materialien, solche Formen verwendet man bei südarmenischen Tankstellen zur Befestigung des Kassiererhäuschens. - Die Botschaft dieser Botschaft ist im Kern eine Mischung aus Hysterie und Nostalgie. Die neue amerikanische Botschaft in Berlin passt zu diesen nostalgischen Träumen - sie ist die Ritterburg, die man sich im Baumarkt zusammenbasteln kann." Andererseits gebe es "außer Bunkern und Pestiziderprobungszentren" kaum ein modernes Gebäude, das sich dem öffentlichen Raum gegenüber so "hysterisch zugekrempelt" gibt wie diese Botschaft. Im oberen, der Behrenstraße zugewandten Fassadenteil findet man überhaupt keine Fenster, wozu einige Passanten im Vorübergehen schon geäußert hätten, "dort oben befände sich wohl der Wellness- und Waterboardingbereich".
"Die Botschaft", resümierte Maaks, "ist das Bild eines von 9/11 und den Globalisierungsfolgen traumatisierten Landes, einer Nation, die so gepanzert ist, dass sie die Welt nicht mehr sehen kann", und holte zum gar nicht FAZ-üblichen Rundumschlag gegen Amerika aus:
"Die neue Botschaft legt in all ihren Details eine Material- und Verarbeitungsschwäche an den Tag, die symptomatisch für die Vereinigten Staaten ist und fast alle Produktbereiche betrifft. Wer einmal das Innere eines normalen amerikanischen Autos gesehen hat, kann nicht glauben, dass so etwas allen Ernstes in einer der führenden Industrienationen hergestellt wird... Seit rund drei Jahrzehnten hat Amerika kein einziges ernstzunehmendes Auto mehr hervorgebracht... Dieses Land scheint nach der Ölkrise 1973 seine ästhetische Kultur verloren zu haben: Außer Apple-Computern, Nike-Turnschuhen und iPods gibt es heute kaum noch optisch wegweisende amerikanische Industrieprodukte. -
Amerika reißt ein Stück aus seiner Mitte, knallt eine durchschnittliche Provinzverwaltungszentrale aus New Jersey an den Pariser Platz, die den Deutschen zeigt, wie große Teile von Amerika halt gerade aussehen; schlecht verarbeitet, verängstigt, nostalgisch, heruntergekommen."
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