Tief unter den tiefsten Wurzeln der Bäume ziehen sich die Adern aus Erz durchs Kalkgestein. In jugoslawischer Zeit haben die Kumpel, die es abbauten, gutes Geld verdient, deutlich mehr als es in anderen Industrieberufen gab. Dafür nahmen sie es in Kauf, weit weg von aller Urbanität in einer Retortenstadt in den Bergen ein Leben in Schichten zu führen. Die Zeiten sind vorbei, die traditionsreiche Grube steht zum Verkauf, und Majdanpek macht den Eindruck einer sterbenden Stadt. Schon die Zufahrt zu finden, ist nicht ganz leicht. Als wir aus dem Wald kommend eine Kleeblattkreuzung erreichen, scheinen alle Abzweigungen ins Nichts zu führen: entweder sind sie nicht fertiggebaut oder sie werden nach wenigen Metern zum Feldweg, der steil bergab zu einem Baggersee zwischen Abraumhalden führt. Beschilderung? Fehlanzeige. Ein paar Radfahrer zeigen uns schließlich, wo man zwischen Betonhindernissen hindurch den Weg in die Stadt nehmen muß.
Wir fahren nach Majdanpek hinein und nach ein paar Blicken auf leerstehende Wohnblocks aus den Siebzigern so schnell wie möglich durch. Noch schlimmer ist es um die Ausfallstraße bestellt. Ich will nicht glauben, daß es die nicht einmal asphaltierte Schlaglochpiste sein soll, die sich als einzige anbietet. Wir fragen einen älteren Mann an einer Bushaltestelle. Doch, sagt er, genau die sei es, aber er würde gern ein Stück mit uns fahren, weil er ohnehin in die Richtung müsse und das Terrain etwas unübersichtlich sei.
In der Tat, das ist es. Er lotst uns erst durch schmale Gassen zum Ortsrand, dahinter öffnet sich nichts anderes als ein riesiges Baustellengelände, zerfurcht von den Riesenreifen der Erzlaster. Es dauert, bis wir diese Holperstrecke überwunden haben. Unser Lotse macht es sich unterwegs auf der Rückbank gemütlich, erzählt von einem frühen Herzinfarkt nach einem kräftezehrenden Leben und von den Bienen, die er sich danach als Frührentner zugelegt hat und die ihm irgendwie das Leben gerettet hätten. Aus seinen anfänglich sechs seien inzwischen zweihundert Völker geworden. Bienensterben? Das sei ein Problem des Westens. In einem winzigen Dorf hinter dem Grubengelände dürfen wir ihn absetzen.
Die Straße ist ab hier ein schmales Band aus Betonplatten, das durch ein enges, grün bewaldetes Tal führt. Bei Gegenverkehr wird’s eng. Aber bis Žagubica mit seiner menschenleeren Fußgängerzone kommt uns lediglich in einem Dorf mal ein Auto entgegen.
Am Quelltopf der leicht milchig grünen Mlava legen wir in einem Ausflugslokal eine Rast ein und verputzen leckere Pfannkuchen mit Pfirsichkompott, geraspelten Walnüssen und sahnigem Kaymak. Dazu gibt es unglaublich fruchtig schmeckenden Pfirsichsaft.
Hinter einer engen Schlucht beim alten Kloster Gornjak, 1378 vom Despoten Stefan Lazarević gegründet, lockern die Eichen- und Buchenmischwälder zu einer parkähnlichen Mittelgebirgslandschaft mit wiesenbestandenen Hängen und offenen Plateaus auf. An den Einmündungen von Feldwegen stehen ab und zu Autos, auf den Wagendächern Halblitergläser mit einer klaren goldgelben Flüssigkeit: Honig. Bei einem jungen Paar, das in Imkerschutzkleidung posiert, kaufen wir ein paar Gläser der lokalen Spezialität als Mitbringsel. Damit im Gepäck fahren wir der sinkenden Sonne entgegen und lassen Serbien für diesmal hinter uns.
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