Da uns bei der Anreise mitten im Donaudurchbruch das Gewitter unter Dach getrieben hatte und das Wetter inzwischen wieder heiterer war, beschlossen wir, noch einmal ein Stück donauaufwärts durch das Eiserne Tor zu fahren, ehe wir uns in die Wälder der serbischen Walachei schlagen wollten. Beides hat sich sehr gelohnt. Nicht mehr von Wolken und Regenschleiern verhangen, gab es fantastische Ein- und Durchblicke im Verlauf der Donauschlucht, besonders eindrucksvoll an der engsten Stelle zwischen dem Kleinen und dem Großen Kazan (“Kessel”). Mit mehr als 80 Metern ist die Donau hier einer der tiefsten Flüsse der Welt.
Auf einem Vorsprung auf rumänischer Seite, auf dem sich früher ein Signalposten zur Regulierung der Schiffahrt befand, wurde schon 1453, also im selben Jahr, in dem die Osmanen Konstantinopel eroberten, ein orthodoxes Kloster gegründet: Mraconia. Nach wechselvoller Geschichte ertranken seine alten Gebäude 1968 endgültig im angestauten Donauwasser, doch wurde es etwas oberhalb wieder aufgebaut.
Bei Donji Milanovac verlassen wir die Donau, und es folgt so ziemlich die abenteuerlichste Strecke auf unserer Reise, was den Straßenzustand angeht.
Die Berge dort sind äußerst erzhaltig (nicht umsonst heißen sie auch Srpsko rudogorje, Serbisches Erzgebirge), und man baut seit Jahrhunderten Blei-, Kuper-, Eisenerz und Gold ab; vielleicht schon seit der Antike. Eine der bedeutendsten Gold- und Kupfergruben liegt bei der Bergbaustadt Majdanpek, oder umgekehrt. Jedenfalls bedeutet ihr ursprünglich türkischer Name “Bergwerk am Pek”, und der Name des Flusses Pek geht vermutlich auf pekos zurück, ein altes griechisches Wort für Wolle und Vlies. Schaffelle aber benutzte man in der Antike, um Goldpartikel in Flüssen aufzufangen, daher ja auch das aus der griechischen Mythologie bekannte Goldene Vlies im Land Kolchis zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer, Heimat der unglücklichen Medea. Der Grieche Appian schrieb dazu Mitte des 2. Jahrhunderts in seiner Römischen Geschichte: “Die einheimischen Bewohner halten dichtwollige Schafsfelle ins Wasser, in denen sich der Goldsand fängt.”
Bis Majdanpek ist die Straße völlig in Ordnung. Meist führt sie auf Talböden zwischen dicht bewaldeten Berghängen durch kleine Dörfer oder eher an ein paar lose zusammenstehenden Bauernhäusern vorbei. Auch hier die skurrile Mischung von alten verlassenen Häusern aus lehmverputztem Holzflechtwerk und noch nicht bezogenen Neubauten. Die Gegend ist eine der am dünnsten besiedelten auf der ganzen Balkanhalbinsel, und die Abwanderung hält noch an. Vor allem seit die Regierung Miloševic den Bergbau in der Region herabgewirtschaftet hat. Wer hier noch wohnt, lebt vielleicht sogar überwiegend als Selbstversorger aus dem eigenen Garten und vom Wald. Überall schwelt nämlich Rauch aus gemauerten Meilern, in denen Wald zu Holzkohle verarbeitet wird, damit Sommerdeutschland grillen kann. Die Köhler und Bauern sind meist Vlasi, Walachen, eine Rumänisch sprechende Minderheit, die noch lange ihre Traditionen des Wanderhirtentums (Transhumanz) beibehielt. Bei Serben gelten sie als Zuwanderer aus der rumänischen Walachei östlich der Donau, nach rumänischer Sichtweise sollen sie Reste der romanischen Bevölkerung aus römischer und damit natürlich auch vorslawischer Zeit sein. Während sie sich selbst schlicht Rumänen nennen, geht ihre Fremdbezeichnung Walachen (serb. vlach) auf eine germanische Wortwurzel zurück.
Die volcae waren der dominierende keltische Stamm, auf den die vordringenden Germanen stießen und den sie ab etwa 500 v.u.Z. aus seinen Sitzen zwischen Rhein, Leine und Main nach Gallien abdrängten. Ihren leicht verballhornten Namen *walhoz, benutzten die Germanen später schlicht für alle inzwischen romanisierten Völker: welsch = romanisch.
Heute sind die serbischen Walachen meist arme Leute. Umgeben aber von der schönsten Landschaft Serbiens.
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