Vor einem Jahr kam an einem sonnigen, aber kalten Wintersonntag Leben in die Haager Frederik Hendriklaan, kurz “Fred” genannt. Vor der Buchhandlung Paagman bildete sich eine lange Schlange: Redmond kam.
Redmond, das war Redmond O’Hanlon, Doktor aus Oxford, Fellow of the Royal Geographical Society und Autor solch umwerfend (komisch) erzählter Reisebücher wie Redmonds Dschungelbuch oder Kongofieber (mein erklärter Favorit). Aber, verriet er, die Reiseschriftstellerei habe ihn zu viel gekostet. In erster Linie Gesundheit. Er habe auf seinen Reisen so gut wie jede erdenkliche Tropenkrankheit durchgemacht. Und anschließend sei erst die richtige Härte gekommen: auf jedes seiner Bücher habe er mühselige Jahre seines Lebens verwandt. Jetzt sei er zu alt, um noch einmal in den Dschungel aufzubrechen, und das Bücherschreiben werde er auch besser lassen. “I can’t think of any author who wrote a good book after 60.”
Und das von einem Mann, der angeblich mit Ian McEwan dicke befreundet ist. Ich denke, da läßt ihn sein literaturgeschichtliches Gedächtnis überhaupt ziemlich im Stich, aber für sich hat Redmond O’Hanlon eine Alternative gefunden. Neuerdings erzählt er auf seine unverwechselbar britische Art Reise- und Entdeckergeschichten im Fernsehen. Zum 150. Jahrestag von Darwins “Ursprung der Arten” segelte er 2009-2010, begleitet von einem Filmteam des holländischen Senders vpro und Darwins Ururenkelin Sarah, auf einem Dreimaster Darwins Reise mit der Beagle nach. Die begleitende Fernsehserie hat ihn in den Niederlanden sehr populär gemacht, und daher also die Schlangen vor Paagmans, als sich O’Hanlon voriges Jahr mit Alexander Reeuwijk über dessen Buch “Darwin, Wallace und die anderen” und die Evolution unterhielt. Unverzichtbar dabei: O’Hanlons alter Rucksack, aus dem er nicht nur seine Reisekamera zog, sondern auch andere Utensilien wie Einmachgläser mit eingelegten Giftschlangen, Würmern und ähnlichen Hokuspokus, um seine amüsanten Extemporationen zu Kuriositäten der Evolution anschaulich zu illustrieren.
“Da ist zum Beispiel die Chagassche Krankheit, übertragen von mehreren Arten von Mordwanzen, die einen in Gesicht oder Hals beißen und dann, vollgesogen, am Einstich koten. Wenn man sich kratzt, reibt man die Hinterlassenschaft und eine Ladung Protozoen in den Blutkreislauf; ein Jahr oder auch zwanzig Jahre später beginnt man an unheilbaren Schädigungen von Herz und Gehirn zu sterben [...]
Am beharrlichsten aber schwamm der Candiru durch die Träume meiner unruhigen Nächte, der Zahnstocherfisch, ein winziger Wels. – Solltest du am Amazonas einmal zuviel getrunken haben und beim Schwimmen unwillkürlich urinieren, so hält dich jeder heimatlose Candiru, angezogen vom Geruch, für einen großen Fisch und schwimmt aufgeregt deinen Urinstrom hinauf, hinein in deine Harnröhre wie ein Wurm in sein Loch, hebt seine Kiemendeckel und stellt ein paar rückwärtsgerichteter Stacheln auf. Der Schmerz, heißt es, sei von ganz besonderer Art. Man muß in ein Krankenhaus, bevor die Blase platzt, und dort einen Chirurgen bitten, den Penis abzunehmen.”
(aus: Redmonds Dschungelbuch)
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