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Donnerstag, 6. Dezember 2012
Eindrucksvolle Zahlen

“Uii, da sage nochmal jemand was gegen Putin”, entfuhr es der Herzogin gestern abend bei der Tagesschau.
Wie war das noch: “Diktaturen ist der Nachweis wichtig, daß die Freiheit, Nein zu sagen, bei ihnen nicht ausgestorben ist... Diktaturen können von der reinen Zustimmung nicht leben... Zwei Prozent weisen nach, daß zwar die Guten in ungeheurer Mehrheit, doch auch nicht gänzlich ungefährdet sind.”
98% ermittelte Jünger in seinen Überlegungen im Waldgang-Essay als gewünschtes Wahlergebnis in Diktaturen. Und mit wie vielen Stimmen wurde Frau Merkel gestern als Vorsitzende einer demokratischen Partei im Amt bestätigt? Na, so ein Zufall: 98%.

Was mich nun am meisten interessiert, ist die Frage, ob “die Märkte” ihr tatsächlich noch die Zeit lassen, um ihre Wiederwahl zur Kanzlerin ebenso glatt und geschmiert über die Bühne gehen zu lassen, oder ob sie ihr die Petersilie verhageln, indem sie entweder den richtig großen Schuldenschnitt oder den Totalzusammenbruch Griechenlands schon vor dem nächsten September herbeiführen. Wer schon einmal eine Schwangerschaft miterlebt hat, weiß, wie lang neun Monate werden können.


mal nicht im Hosenanzug

Bislang verfolgen alle Akteure ja noch die Taktik, die Katze scheibchenweise aus dem Sack zu lassen. Wie lange hat denn Finanzminister Schäuble (der – unvergessen – vor zwölf Jahren wegen seines vergeßlichen Umgangs mit Geld als Vorgänger Merkels gestürzt ist) immer wieder beteuert, die ganzen Griechische-Banken-Hilfen würden die deutschen Steuerzahler nichts kosten? Seit dem letzten Ministertreffen in Brüssel kosten sie uns nun doch etwas.
Mein Gott, 730 Millionen. Erdnüsse! Das ist ja nur geringfügig mehr als der Etat des Justizministeriums. (Das könnten wir eigentlich auch ganz einsparen, die Leutheuser-Schnarrenberger geht dem Friedrich sowieso nur auf den Senkel mit ihren Bedenken gegen seinen Überwachungsstaat.)
Die jetzt als “zumutbar” eingestufte Summe ist aber nur die Einstiegsdroge, ein erstes Appetithäppchen, damit wir uns bei folgenden größeren Brocken nicht etwa verschlucken und das große Aufstoßen kriegen, wenn die Politiker uns nach und nach die ganze dicke Wurst in den Rachen stopfen werden.
Daß es so kommt, pfeifen mittlerweile sogar schon die Wirtschaftsweisen von den Dächern. Wir werden gleich dreifach gemolken werden, stellte die FAZ in einem lesenswerten Artikel fest: “als Steuerzahler, Gläubiger der Krisenstaaten und - nicht zuletzt - als Sparer und Besitzer von Geldvermögen.
Die Banken und Versicherungen haben [dagegen] ihre Lobbyarbeit offenbar gut erledigt... Sowohl in der Bankenkrise als auch in der Staatsschuldenkrise haben die Gläubiger - das waren vor allem Banken, Versicherungen und Fonds - die Politiker davon überzeugen können, dass das Risiko, sie pleitegehen zu lassen, zu hoch sei.”
Der Bankenverband gibt an, beim ersten Schuldenschnitt für Griechenland hätten die Banken über 100 Milliarden Euro abschreiben müssen. Nach Berechnungen der Allianz, so die FAZ, seien es aber lediglich 25,5 Milliarden gewesen.
“‘Eine Gläubigerbeteiligung ist auch nach den Regeln des ESM nicht vorgesehen’, sagt Oliver Holtemöller, Wirtschaftsprofessor vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. ‘Man kann also insgesamt sagen, dass die Kosten der Krise überwiegend dem Steuerzahler aufgebürdet werden.’”

Wie hoch die Gesamtkosten am Ende ausfallen werden, darüber gibt es bislang nur ungefähre und weit auseinanderliegende Schätzungen. Am konservativsten rechnet natürlich Schäubles Finanzministerium und beziffert den schlimmsten Ausfall mit gut 70 Milliarden. Ein Bericht in den Deutschen Mittelstandsnachrichten kommt auf “mittlerweile 93,67 Milliarden Euro” mittel- und unmittelbarer deutscher Kredite für Griechenland. Der Bund der Steuerzahler beziffert in dem FAZ-Artikel das Haftungsrisiko Deutschlands insgesamt auf 509 Milliarden Euro. Das wären mehr als 83% der für dieses Jahr geschätzten Gesamteinnahmen des Bundes. M.a.W. von 100 Euro, die der deutsche Fiskus in diesem Jahr einnimmt, dürfte er bis zu 83 Euro den Gläubigern überweisen, bei denen er für Griechenland haftet. Blieben uns noch 17 von 100. Der nächste Bundeshaushalt dürfte dann erheblich anders aussehen als in Schäubles veröffentlichten Plänen.
Wird er dann wieder einmal den “eisernen Sparer” geben? (Oder wird Steinbrück ihm in der nächsten großen Koalition diese Rolle abnehmen?) Oder sind nach den gewaltigen christlich-liberalen Steuererleichterungen der letzten fetten Jahre für die nächste Legislaturperiode schon die christlich-sozialdemokratischen Steuererhöhungen vorprogrammiert?
“Kurzfristig dürfte die Politik die zusätzlichen Belastungen des Staatshaushalts über eine höhere Staatsverschuldung in Deutschland ausgleichen”, meint DIW-Ökonom Fichtner in der FAZ. “‘Langfristig wird die Politik eher die Steuern erhöhen, als die Ausgaben zu kürzen’... Ausgabenkürzen bedeutet für Politiker immer eine Einschränkung der Möglichkeit, Wohltaten zu vergeben - und das versuchen sie zu vermeiden.
‘Je nach Ausgestaltung könnte die Einkommensteuer die Reicheren stärker belasten, die Mehrwertsteuer würde die einkommensschwächeren Bevölkerungsteile überproportional belasten, da diese einen größeren Teil ihres Einkommens für den Konsum verwenden’, sagt Fichtner. Diese Abwägung wäre eine politische Entscheidung.”

Und wie die ausgehen wird, kann man schon längst deutlich erkennen, bei uns und an der Politik in den Krisenländern: “Eine Bevölkerungsgruppe, die im Prinzip auch stärker an den Lasten der Krise beteiligt werden könnte, kommt offenbar wie die Staaten-Gläubiger mit einem blauen Auge davon. Das sind die reichen Teile der Bevölkerung in den Krisenländern. Nach wie vor funktioniert beispielsweise in Griechenland die Besteuerung der Reichen nicht richtig, wie alle Untersuchungsberichte übereinstimmend attestieren. Zum Teil ist das Geld der Vermögenden auch längst im Ausland und steigert etwa in London die Preise für Wohnungen.”

Wie die Faust aufs Auge passen dazu die vielen Meldungen der vergangenen Tage, denen zufolge Griechenlands vormaliger Ministerpräsident Papandreou durch seine 89-jährige Mama unter einem Decknamen 550 Millionen Euro Familienvermögen schwarz in die Schweiz schaffen ließ. “Maria Panteli, Büroangestellte” ist nur einer der annähernd 2000 Namen von reichen Griechen auf der sogenannten Hot doc/Lagarde-Liste, die in den neun Jahren von 1998-2007 rund 13 Milliarden Euro auf Schweizer Konten verschoben haben. Das ist die Art, in der sich die Reichen an der Rettung des geliebten “Vaterlands” beteiligen, das ihnen allemal an dem Arsch vorbeigeht, dem das Hemd näher ist als der Rock.

Dazu fällt einem doch gleich Ludwig Thomas Gedicht an die “Vaterlandslosen Gesellen” ein:

Hebt wieder einer gegen euch die Hand,
Und spricht, ihr Armen habt kein Vaterland,
So steht doch auf und fragt ihn einmal frei,
Was unser Deutschland für den Reichen sei!

Ist es das Land, das er mit Arbeit schmückt...
Ist es das Land, das er im Herzen liebt,
Für das er duldet und für das er gibt?...

Und nicht das Land, in dem er Schätze rafft?
Und nicht das Volk, das mühsam für ihn schafft?
Nicht deutsch, nicht Heimat, nur ein Fetzen Welt,
So feil, wie alles, um sein schnödes Geld!

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