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Donnerstag, 27. Oktober 2011
Lichtenbergisches Göttingen
Bei den Nobelpreisträgern führt Göttingen gegen Freiburg mit mehr als 40:10. Auch wenn bei einigen von ihnen der Bezug zur Göttinger Alma mater relativ weit hergeholt sein mag, ist die Überlegenheit so eindeutig, daß es in Wikipedia einen eigenen Eintrag über das “Göttinger Nobelpreiswunder” gibt. Robert Koch hat immerhin in Göttingen studiert, Rudolf Eucken promoviert, Werner Heisenberg habilitiert, Paul Ehrlich zehn Jahre lang dort gelehrt, Max Planck war Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften. Otto Hahn hat 1957 die “Göttinger Erklärung” gegen die westdeutsche Wiederaufrüstung unterzeichnet und wurde daraufhin zwei Jahre später zum Ehrenbürger der Stadt ernannt, in der er 1968 starb. - Der Wagen gehörte nicht ihm, dürfte aber aus seinen Tagen stammen.




Ja, Göttingen, am sanft ansteigenden Rand des breiten Leine-Urstromtals gelegen, erscheint mir als die offenere Stadt. Gewiß, die Freiburger Uni ist einige hundert Jahre älter, aber dafür ging Göttingens Stern voll und ganz im Geist der Aufklärung auf. In den 1770er Jahren studierten dort der spätere preußische Reformer Freiherr vom Stein, Alexander und Wilhelm von Humboldt, Homerübersetzer Voß; ein Universalgelehrter vom Format eines Albrecht von Haller hatte zuvor Rufe nach Berlin, Utrecht und Oxford abgelehnt, um in Göttingen zu lehren und seinen dort eigens für ihn angelegten Botanischen Garten zu pflegen, und ein Mann wie Lichtenberg war Professor für Mathematik, Astronomie und die von ihm mitbegründete Experimentalphysik, der in seinen Vorlesungen (vor den ersten Ballonfahrten) gasgefüllte Schweinsblasen fliegen ließ und seine Ausführungen mit den geistreichen Aphorismen würzte, für die er so berühmt geworden ist. Lichtenberg galt als solche Koryphäe, daß selbst der Geheime Rat von Goethe ihn um eine Anerkennung seiner Farbenlehre bat; doch Lichtenberg ließ ihn abblitzen und gab Newton den Vorzug. Mit bissiger Ironie zerlegte er auch Lavaters Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe.
Lichtenberg-Statue von Fuat Duschku neben dem Alten Rathaus in Göttingen

• “Ich habe es nie ohne Lächeln bemerkt, daß Lavater mehr an den Nasen unserer jetzigen Schriftsteller findet, als die vernünftige Welt in ihren Schriften.”

• “Mit größerer Majestät hat noch nie ein Verstand still gestanden.”

• “Die meisten Glaubens-Lehrer verteidigen ihre Sätze, nicht weil sie von der Wahrheit derselben überzeugt sind, sondern weil sie die Wahrheit derselben einmal behauptet haben.”

• “Was man feine Menschenkenntnis nennt, ist meistens nichts als Reflexion, Zurückstrahlung eigener Schwachheiten von anderen.”

• “Wer an Harnverhaltung leidet, sollte seine Gegner nicht bepissen wollen.”

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