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Samstag, 8. Oktober 2011
Zürich, Zum Storchen
Zürich, Zum Storchen
für nelly sachs
Vom Zuviel war die Rede, vom
Zuwenig. Von Du
und Aber-Du, von
der Trübung durch Helles, von
Jüdischem, von
deinem Gott.
Da-
von.
Am Tag einer Himmelfahrt, das
Münster stand drüben, es kam
mit einigem Gold übers Wasser.
Von deinem Gott war die Rede, ich sprach
gegen ihn, ich
ließ das Herz, das ich hatte,
hoffen:
auf
sein höchstes, umröcheltes, sein
haderndes Wort -
Dein Aug sah mir zu, sah hinweg,
dein Mund
sprach sich dem Äug zu, ich hörte:
Wir
wissen ja nicht, weißt du,
wir
wissen ja nicht,
was
gilt
Nach zwanzig Jahren des Exils in Schweden reiste die Lyrikerin Nelly Sachs im Mai 1960 nach Zürich. Im nahen Meersburg am Bodensee war ihr als zweiter Preisträgerin überhaupt der Droste-Preis verliehen worden. Durch Protektion des Prinzen Eugen, einem Bruder des schwedischen Königs, hatte sie im Mai 1940 in allerletzter Minute noch aus Deutschland ausreisen dürfen. Der Befehl für ihren Abtransport in ein KZ war bereits ausgestellt worden. Das Trauma des NS-Staats hat bekanntlich Nelly Sachs’ ganzes Leben und ihre Gedichte geprägt.
O die Schornsteine
Auf den sinnreich erdachten Wohnungen des Todes,
Als Israels Leib zog aufgelöst in Rauch
Sie hatte Schweden seit dem Krieg nicht wieder verlassen und war nie nach Deutschland zurückgekehrt. Als sie vor der Entscheidung stand, wegen der Preisverleihung nach Deutschland reisen zu müssen, litt sie monatelang an Ängsten, dort von ehemaligen Nazis verfolgt zu werden. Seit einigen Jahren korrespondierte sie mit Paul Celan in Paris, der sie ermunterte, den Preis in Meersburg entgegenzunehmen, und ihr versprach, selbst zur gleichen Zeit nach Zürich zu kommen.
„Paul Celan, Lieber, Lieber, Sie kommen und dann ist Heimat, auf welchem Sand wir auch stehen“, schrieb sie zurück.
Vom 25. bis 27. Mai 1960 gastierten beide im Hotel Zum Storchen direkt an der Limmat. Für Nelly Sachs waren es unvergessliche Tage. Paul Celan schrieb das Gedicht “Zürich, Zum Storchen” unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris, am 30. Mai 1960.
Nach ihrer Rückkehr aus Deutschland brach Nelly Sachs in Stockholm zusammen und verbrachte die folgenden drei Jahre in einer Nervenheilanstalt. Nach späteren abermaligen Aufenthalten dort und nach einer Krebserkrankung starb sie am 12. Mai 1970, dem Tag von Celans Beerdigung.
für nelly sachs
Vom Zuviel war die Rede, vom
Zuwenig. Von Du
und Aber-Du, von
der Trübung durch Helles, von
Jüdischem, von
deinem Gott.
Da-
von.
Am Tag einer Himmelfahrt, das
Münster stand drüben, es kam
mit einigem Gold übers Wasser.
Von deinem Gott war die Rede, ich sprach
gegen ihn, ich
ließ das Herz, das ich hatte,
hoffen:
auf
sein höchstes, umröcheltes, sein
haderndes Wort -
Dein Aug sah mir zu, sah hinweg,
dein Mund
sprach sich dem Äug zu, ich hörte:
Wir
wissen ja nicht, weißt du,
wir
wissen ja nicht,
was
gilt
Nach zwanzig Jahren des Exils in Schweden reiste die Lyrikerin Nelly Sachs im Mai 1960 nach Zürich. Im nahen Meersburg am Bodensee war ihr als zweiter Preisträgerin überhaupt der Droste-Preis verliehen worden. Durch Protektion des Prinzen Eugen, einem Bruder des schwedischen Königs, hatte sie im Mai 1940 in allerletzter Minute noch aus Deutschland ausreisen dürfen. Der Befehl für ihren Abtransport in ein KZ war bereits ausgestellt worden. Das Trauma des NS-Staats hat bekanntlich Nelly Sachs’ ganzes Leben und ihre Gedichte geprägt.
O die Schornsteine
Auf den sinnreich erdachten Wohnungen des Todes,
Als Israels Leib zog aufgelöst in Rauch
Sie hatte Schweden seit dem Krieg nicht wieder verlassen und war nie nach Deutschland zurückgekehrt. Als sie vor der Entscheidung stand, wegen der Preisverleihung nach Deutschland reisen zu müssen, litt sie monatelang an Ängsten, dort von ehemaligen Nazis verfolgt zu werden. Seit einigen Jahren korrespondierte sie mit Paul Celan in Paris, der sie ermunterte, den Preis in Meersburg entgegenzunehmen, und ihr versprach, selbst zur gleichen Zeit nach Zürich zu kommen.
„Paul Celan, Lieber, Lieber, Sie kommen und dann ist Heimat, auf welchem Sand wir auch stehen“, schrieb sie zurück.
Vom 25. bis 27. Mai 1960 gastierten beide im Hotel Zum Storchen direkt an der Limmat. Für Nelly Sachs waren es unvergessliche Tage. Paul Celan schrieb das Gedicht “Zürich, Zum Storchen” unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris, am 30. Mai 1960.
Nach ihrer Rückkehr aus Deutschland brach Nelly Sachs in Stockholm zusammen und verbrachte die folgenden drei Jahre in einer Nervenheilanstalt. Nach späteren abermaligen Aufenthalten dort und nach einer Krebserkrankung starb sie am 12. Mai 1970, dem Tag von Celans Beerdigung.
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