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Freitag, 29. Juli 2011
Nachlese und ein Nachgedanke zu den Anschlägen in Norwegen
Eine Woche nach den Anschlägen in Norwegen ist die internationale Öffentlichkeit noch immer mit der Spuren- und Motivsuche beschäftigt. Wie betriebsblind und schablonenhaft sie dabei vorgegangen ist, bringt heute ein Beitrag von Christian Schlüter in der Frankfurter Rundschau bündig auf den Punkt:

“Wie sehr das „Feindbild Islam“ zum Lückenbüßer für die allgemeine Ahnungslosigkeit geworden ist, führte das öffentlich-rechtliche Fernsehen am Freitag vor [...] ARD und ZDF, aber nicht nur ihnen, kommt das fragwürdige journalistische Verdienst zu, ihre Zuschauer anstatt aufzuklären, regelrecht dümmer gemacht zu haben. Das Bedürfnis nach Sinnstiftung zu befriedigen ist verlockend, es verspricht Quote und Auflage.
Dabei ist das Muster dieser Sinnstiftung immer wieder dasselbe, es geht um die Konstruktion eines Feindbildes, einer Gefahr, die von Außen kommt und mit „uns“ möglichst nichts zu tun hat. Es geht also um Ausgrenzung, und die sah im Falle des norwegischen Attentäters so aus: Erst galt er als Islamist; dann als Rechtsradikaler, wobei er allerdings einer entsprechenden Gruppierung nicht richtig zuzuordnen war; auch ein christlicher Fundamentalist sollte er gewesen sein, aber das „christlich“ schien offenbar zu unheimlich, da zu nahe, und verschwand also wieder; und am Schluss blieb ein irgendwie wahnsinniger Einzeltäter, ein Sonderling, möglicherweise mit einer erheblichen Persönlichkeitsstörung, ein Psychopath. Weiter ließ sich Anders Behring Breivik wohl nicht aus unserer Mitte wegdefinieren.”

Zu wiederholtem Mal wird hier darauf hingewiesen, daß der Täter nicht von irgendeinem abgedrehten Rand, sondern aus unserer Mitte kommt. Die Täter sind mitten unter uns. Man hält sie nur für unauffällig, weil unsere Behörden und viele von uns weggucken. Das gilt von dem neonazistischen Wehrsportler, der 1980 auf dem Münchener Oktoberfest 13 Menschen in die Luft sprengte, über den Bombenleger von Oklahoma 1995, die schwedischen Rechstradikalen, die 1999 einen Gewerkschaftler auf offener Straße hinrichteten, und die Amokläufer von Erfurt und Winnenden bis zu Anders Breivik. Ihn jetzt zum Psychopathen zu erklären, machte nicht nur ihn schuldunfähig, sondern auch uns. Diese gewaltbereiten Attentäter allesamt zu Außenseitern zu erklären, ist falsch und irreführend. Es ist keine Erklärung, sondern eine Entlastung, um uns selbst nicht für zuständig und verantwortlich erklären zu müssen. Der Grund, aus dem diese Gewalttäter erwachsen, liegt nicht außerhalb, sondern in unserer Gesellschaft.

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