Es gibt aber auch noch erfreuliche Initiativen in diesem Land (natürlich gehen sie nicht von Politikern aus, daran hat man sich gewöhnt). Der Freitag berichtet, daß der kleine, aber feine Verbrecher-Verlag in Berlin (nomen non est omen) soeben auf höchst innovative Weise die Tagebücher von Erich Mühsam ediert hat. Nette Dinge kann man darin lesen. Kaum wurde das erste Blatt beschrieben ("Bei strömendem Regen war ich eben unten im Dorf, um mir dies Heft zu kaufen. Es soll mein Tagebuch sein."), geht es auch schon zur Sache:
"Château d’Oex, Montag, 22.8.1910
Johannes gab mir 3 Bände der Tagebücher Varnhagens von Ense mit, die ich gierig lese. Damals lohnte es noch Tagebücher zu schreiben! Trotz der Armseligkeit der vormärzlichen Politiker – welche bewegte Zeit! Welche Beziehung zwischen Geistigkeit und Öffentlichkeit! Welche Teilnahme der großen Geister (Varnhagen, Humboldt, Tieck, Bettina v. Arnim usw.) an den Geschehnissen des Tages! – Und heute? Unsre Zeit ist bei Gott nicht minder armselig, unsre Regierungen nicht minder jämmerlich, unsre Politik nicht minder chikanös, knechtschaffen und vormärzlich. Nur eins unterscheidet unsre Tage von Varnhagens: heut ist auch das Volk interesselos, und die Geistigkeit nimmt schon garnicht teil an allem was vorgeht!"
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