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Samstag, 28. November 2009
"Wie so anders ist's geworden"
Wer behauptet eigentlich, Hölderlin sei schwer bis unverständlich? Deutlicher als so kann man seine vergangenen und akuten Gemütszustände und eine selige neue Verliebtheit in einem Gedicht doch kaum erklären. In den Frankfurter Jahren 1796/97 war Hölderlin, den Umständen entsprechend, glücklich. Ganz anders als die Jahre zuvor: “Lange todt und tiefverschlossen”.
Seine Mutter hatte von Anfang an entschieden, daß "des Bürschle" einmal die geistliche Laufbahn einschlagen solle. Sein Vater, der als Gutsverwalter des Herzogs von Württemberg ein kleines Vermögen hinterlassen hatte, war bereits gestorben, als Hölderlin erst zwei Jahre alt war, und den Stiefvater, der ihm sehr nahe gestanden haben muß, verlor er mit neun. Noch zwanzig Jahre später führte er seinen “Hang zur Trauer” auf diesen Verlust zurück.
Mit 14 war er gegen die schriftliche Erklärung, sich “auf keine andere Profession, dann die Theologiam zu legen”, auf Kosten der Landeskirche in die Klosterschule zu Denkendorf aufgenommen worden, zwei Jahre später ins Kloster Maulbronn, dessen strenger Zucht er schon im Jahr darauf am liebsten ebenso entflohen wäre wie vorher Johannes Kepler und nach ihm Hermann Hesse, die ebenfalls in Maulbronn die Schulbank drückten. Aber die Mutter blieb unerbittlich. Auf das Kloster folgte das Theologiestudium im Tübinger Stift, für Hölderlin voller “Verdrüßlichkeiten, Schikanen, Ungerechtigkeiten”. Die Jahre im Stift brachten aber auch viele Denkanstöße gemeinsam mit Kommilitonen und bedeuteten eine Zeit hoher geistiger Regsamkeit. Wenn es wahr ist, daß Hölderlin zeitweilig gemeinsam mit Hegel und Schelling ein Zimmer belegte, dürfte es sich wohl um das geistig hochkarätigste Internatszimmer zumindest der deutschen Geistesgeschichte gehandelt haben.
Nach bestandenem Examen nicht als Vikar gleich in den Pfarrdienst einzutreten, akzeptierte die württembergische Landeskirche nur, wenn der Stipendiat eine entsprechende anderweitige Anstellung nachweisen konnte. Bei einem Besuch in Stuttgart hatte Hölderlin den wichtigen Verleger Gotthold Stäudlin kennengelernt und der einige seiner frühen Gedichte in seinen weit verbreiteten Musenalmanach fürs Jahr 1792 aufgenommen. Stäudlin war von Hölderlins Talent beeindruckt und wollte sich als Förderer für ihn verwenden. In zwei Briefen empfahl er ihn Schiller, der ebenfalls am württembergischen Erziehungsdrill krank geworden und vor ihm geflohen war. Schiller jedenfalls sah, was er tun konnte. Nach einem kurzen Vorstellungsbesuch Hölderlins in Ludwigsburg am 1. Oktober 1793 schrieb Schiller seiner guten Freundin Charlotte von Kalb, die ihn gebeten hatte, einen Lehrer und Erzieher für ihren neunjährigen Sohn Fritz zu suchen:
“Einen jungen Mann habe ich ausgefunden, der eben jetzt seine theologischen Studien in Tübingen vollendet hat, und dessen Kenntnissen in Sprachen und den zum Hofmeister erforderlichen Fächern alle die ich darüber befragt habe, ein gutes Zeugniß ertheilen. Er versteht und spricht auch das Französische und ist (ich weiß nicht, ob ich dies zu seiner Empfehlung oder zu seinem Nachtheile anführe) nicht ohne poetisches Talent, wovon Sie in dem Schwäbischen Musenalmanach vom Jahr 1794 Proben finden werden. Er heißt Hölderlin und ist Magister der Philosophie. Ich habe ihn persönlich kennen lernen und glaube, daß Ihnen sein Aeußeres sehr wohl gefallen wird. Auch zeigt er vielen Anstand und Artigkeit. Seinen Sitten giebt man ein gutes Zeugniß; doch völlig gesetzt scheint er noch nicht, und viele Gründlichkeit erwarte ich weder von seinem Wißen noch von seinem Betragen. Ich könnte ihm vielleicht hierin Unrecht thun, weil ich dieses Urtheil bloß auf die Bekanntschaft einer halben Stunde und eigentlich bloß auf seinen Anblick und Vortrag gründe; ich will ihn aber lieber härter als nachsichtiger beurtheilen, daß, wenn Ihre Erwartung ja getäuscht werden sollte, dieß zu seinem Vortheil geschehe. Mit den Bedingungen, die Sie ihm anbieten werden, ist er vollkommen zufrieden...“Weihnachten 1793 reiste Hölderlin über Nürnberg und “auf einem verdammt kalten und unsichern Wege” Bamberg voller Ehrgeiz und hochfliegender Erwartungen seiner ersten Anstellung als Hofmeister auf dem Schloß der von Kalbs im unterfränkischen Waltershausen entgegen.
Es konnte nur schiefgehen.
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