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Samstag, 10. Januar 2009
Rembrandtbrauner Barock oder kretische Klarheit?
Nach der Rückkehr nochmal Peter Englund gelesen, auch im Barudio, aber nein, der Barock ist meine Zeit nicht. Schon der ganze Zeitgeschmack nicht, in Malerei, Architektur, Mode. Die Musik macht eine Ausnahme. Aber ist Bach wirklich barock? Ist er dazu nicht in vielem zu klar bis kristallin? Sicher, es gab auch noch ein paar andere, die äußerst hell und klar im Kopf waren, besonders hier in den Niederlanden, dem wohl fortgeschrittensten Land jener Epoche. Hugo de Groot zum Beispiel oder das Licht in den Bildern Vermeers. Aber all die tonangebenden Tendenzen des Zeitalters, diese Derbheit, die aus vielen Gemälden und anderen Zeugnissen spricht, der Hang zum Schwulst, das trompetenschmetternd Rhetorische, die Rolle von Glaube und Aberglaube... Nein, nicht mein Stil. Man bildet sich doch von historischen Epochen eine Art synästhetischen Gesamteindruck, und da ist das 17. Jahrhundert bei mir eine ganz tiefbraun dunkle Zeit, gegen die sich zum Beispiel die Renaissance und vor allem das 13. Jahrhundert etwa geradezu leuchtend hell abheben. - -
Am Abend dann wieder einmal in den Tagebüchern Jüngers gelesen. 23 Jahre vor mir besuchte er Kreta, fand auch dort das klare Licht, “in den kleinen Wirtschaften das weiße Brot, das köstliche Wasser der Insel, den Wein und vor allem das freundliche Wesen der Kreter” (28.4.1971). “In einem der nahen Dörfer (am Lassithi-Paß) hielten wir Mittagsrast. Auch hier das alte Wirtspaar (Philemon und Baucis)... Das Brot, das sie brachten, war kein besonderes Brot, wie man es in vielen Sorten auf den Märkten sieht. Ich entsinne mich nicht, jemals dergleichen gekostet zu haben; es war das Brot schlechthin. Es war weniger in Scheiben geschnitten als zu Schollen gebrochen, rotbraun und klebrig wie diese Erde nach der Regenzeit. Darin waren Körner zu spüren, vielleicht Hafer oder Gerste, wildgrasartig, von urtümlicher Kraft... verwandelte Erde, das Brot der Demeter unmittelbar.
Dabei muß ich noch einmal das Wasser der Insel erwähnen, denn es geschieht selten, daß wir im Altvertrauten einen Genuß entdecken, als ob wir erst jetzt mit ihm bekannt würden. Dann ist die Stille auch nicht mehr lautlos, sondern hat ihre Tiefe - und so ist es auch hier das Gefühl, als tränke man nicht Wasser mehr. Das ist die Wahrnehmung des Genuinen, und aus ihr ist zu schließen, daß das Glück unser eigentlicher Zustand ist. Dann stört auch die Zeit nicht mehr.
Ahorne und Steineichen haben ihre Wurzeln in den Fels getrieben, der mit dem Holz zu einer silbergrauen Masse verschmilzt. Zeit und zeitlose Stille vereinen sich hier, als ob Jahrhunderte des Wachstums durch einen Zauber gebannt wären. - Solche Stunden auf den Inseln geben immer wieder ein unvergeßliches Geschenk.” (4.5.71)
“Unterhaltung beim Genuß des weißen Weines der Insel, der den Namen des Königs Minos führt. Das Paradies ist seit jeher verloren; wir streifen nur seine Ränder an der Zeitmauer.”
“Das Reich des Minos ist vorolympisch; der sagenhafte König ist kein Gott, obwohl er göttliche Gewalt ausübt. Sein Verhältnis zu Zeus ist rätselhaft; man hat den Eindruck, daß die Griechen es umdichteten. - Die Insel ist der Erde heilig wie keine andere. Darauf verweisen der Stier, das Labyrinth, die Höhlen. - Wir hören von Minos eher wie von Gerüchten als wie von Mythen... Das dringt in die Zeit wie die Kunde aus einer zugleich furcht- und fruchtbaren Höhle - in ihrem Dunkel scheint alles möglich.
Der Mythos verhärtet oder kristallisiert eher, als erster Schritt zum Bewußtsein. - Auch die Schrift verhärtet; sie hebt vom Sein eine Bewußtseinsschicht ab. Wo Schriftdokumente bestehen, wo Namen und Daten die Zeit bannen, mehrt sich das Wissen, das die letzte Kammer verstellt.” (6.5.71)
Am Abend dann wieder einmal in den Tagebüchern Jüngers gelesen. 23 Jahre vor mir besuchte er Kreta, fand auch dort das klare Licht, “in den kleinen Wirtschaften das weiße Brot, das köstliche Wasser der Insel, den Wein und vor allem das freundliche Wesen der Kreter” (28.4.1971). “In einem der nahen Dörfer (am Lassithi-Paß) hielten wir Mittagsrast. Auch hier das alte Wirtspaar (Philemon und Baucis)... Das Brot, das sie brachten, war kein besonderes Brot, wie man es in vielen Sorten auf den Märkten sieht. Ich entsinne mich nicht, jemals dergleichen gekostet zu haben; es war das Brot schlechthin. Es war weniger in Scheiben geschnitten als zu Schollen gebrochen, rotbraun und klebrig wie diese Erde nach der Regenzeit. Darin waren Körner zu spüren, vielleicht Hafer oder Gerste, wildgrasartig, von urtümlicher Kraft... verwandelte Erde, das Brot der Demeter unmittelbar.
Dabei muß ich noch einmal das Wasser der Insel erwähnen, denn es geschieht selten, daß wir im Altvertrauten einen Genuß entdecken, als ob wir erst jetzt mit ihm bekannt würden. Dann ist die Stille auch nicht mehr lautlos, sondern hat ihre Tiefe - und so ist es auch hier das Gefühl, als tränke man nicht Wasser mehr. Das ist die Wahrnehmung des Genuinen, und aus ihr ist zu schließen, daß das Glück unser eigentlicher Zustand ist. Dann stört auch die Zeit nicht mehr.
Ahorne und Steineichen haben ihre Wurzeln in den Fels getrieben, der mit dem Holz zu einer silbergrauen Masse verschmilzt. Zeit und zeitlose Stille vereinen sich hier, als ob Jahrhunderte des Wachstums durch einen Zauber gebannt wären. - Solche Stunden auf den Inseln geben immer wieder ein unvergeßliches Geschenk.” (4.5.71)
“Unterhaltung beim Genuß des weißen Weines der Insel, der den Namen des Königs Minos führt. Das Paradies ist seit jeher verloren; wir streifen nur seine Ränder an der Zeitmauer.”
“Das Reich des Minos ist vorolympisch; der sagenhafte König ist kein Gott, obwohl er göttliche Gewalt ausübt. Sein Verhältnis zu Zeus ist rätselhaft; man hat den Eindruck, daß die Griechen es umdichteten. - Die Insel ist der Erde heilig wie keine andere. Darauf verweisen der Stier, das Labyrinth, die Höhlen. - Wir hören von Minos eher wie von Gerüchten als wie von Mythen... Das dringt in die Zeit wie die Kunde aus einer zugleich furcht- und fruchtbaren Höhle - in ihrem Dunkel scheint alles möglich.
Der Mythos verhärtet oder kristallisiert eher, als erster Schritt zum Bewußtsein. - Auch die Schrift verhärtet; sie hebt vom Sein eine Bewußtseinsschicht ab. Wo Schriftdokumente bestehen, wo Namen und Daten die Zeit bannen, mehrt sich das Wissen, das die letzte Kammer verstellt.” (6.5.71)
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