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Freitag, 9. Januar 2009
Kronovall
Seltsam, Tucholsky erwähnt die immense Grabanlage in Kivik mit keinem Wort, obwohl sie zur Zeit seines Aufenthalts dort gerade erst einer gründlichen archäologischen Untersuchung unterzogen und anschließend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war, indem man einen Gang zum Innersten freigrub. Vielleicht fand er während der sechs Wochen dort nach den Stunden an der Schreibmaschine einfach keine Zeit für einen Besuch. Im brodelnden Kivik mit seinen bald 1000 Einwohnern hatte er wahrlich anderes zu tun. Zum Beispiel nach Kvasa Solbad zu flanieren und die Damen zu beobachten, die dort einem alten Prospekt zufolge im “Luftanzug” in der Sonne badeten oder bei Gymnastik, Ballspielen und Volkstanz anmutig über den Strand hüpften - oder in einem abgeteilten “Sonnengarten” das Licht und die Wärme ganz ohne Luftanzug genossen. Oder er machte der ebenfalls in Kivik kurenden Krankenschwester Margot Deilke, 25, aus Berlin seine Aufwartung. »Alles, alles kann man entbehren. Die Literatur: schwer; den Whisky: schon schwerer; Lisa, Musch, Mara, Margot: am schwersten...«
Ein Schwedensommer wohl war‘s, ähnlich dem, den er später in Schloß Gripsholm beschrieb. Doch jetzt ist der letzte Tag im Jahr, und wir fahren langsam durch die Buchenwälder um Schloß Kronovall. In französischem Spätbarock prangt es da zwischen den hohen, schlanken Stämmen hervor, seit es der Architekt von Stockholms Nordiska museet, Isak Gustaf Clason, nach 1890 einem umfangreichen Facelifting unterziehen durfte.
Seine Geschichte aber reicht zurück bis in die Zeit, als sich Schweden anschickte, Dänemark die Vormachtstellung in der Ostsee streitig zu machen. Im Kalmarkrieg von 1611-13, den Christian IV. in der irrigen Annahme vom Zaun brach, mit Schweden unter einem todkranken König bzw. dessen minderjährigem Sohn leichtes Spiel zu haben, trat der gerade erst achtzehn gewordene und frisch gekrönte Gustav II. Adolf Anfang Februar 1612 mit einem Heer von 3000 Mann zum Gegenstoß an, fiel in einem Plünderungsfeldzug durch die Grenzprovinz Småland in Skåne ein und ließ mehr als zwei Dutzend Dörfer, Güter und Herrensitze in Flammen aufgehen.
Nach dem Frieden von Knäred im folgenden Jahr kaufte der aus schottischem Hochadel stammende Anders Sinclair etliche der zerstörten Besitzungen auf. 1615 ernannte ihn der dänische König zum Kommandeur des Skåne-Regiments und zu seinem Statthalter über die Provinz und die Insel Bornholm. Als solcher ließ sich Sinclair mehrere Schlösser errichten, darunter Kronovall. Mit seinem Sohn Christen starb das Geschlecht jedoch aus, und Kronovall fiel an Falk Lykke auf Skovgaard, den Kommandanten der dänischen Grenzfeste Christianopel. Dieses 1599 als erste planmäßige Renaissancestadt des Nordens gegründete winzige Örtchen mit heute 80 Einwohnern verfügt noch immer über ansehnliche Reste seiner ehemals neun Meter hohe und drei Kilometer lange Stadtmauer mit Bastionen.
Schweden stieg durch seine langjährige siegreiche Teilnahme am Dreißigjährigen Krieg zur europäischen Großmacht auf und schaffte es, die dänische Umklammerung endgültig zu sprengen. Nach dem dänisch-schwedischen Krieg von 1643-45 erhielt es von Dänemark die bis dahin norwegischen Provinzen Jämtland und Härjedalen, Halland an seiner Westküste und die Ostseeinseln Ösel und Gotland. Als es glaubte, den mit Rußland im Krieg stehenden polnischen König Johann II. Wasa militärisch zum Verzicht auf seine Erbansprüche in Schweden zwingen zu können, eröffnete Fredrik III. von Dänemark einen Revanchekrieg gegen die schwedischen Gebiete in Norddeutschland.
Doch Karl X., auch genannt “der nordische Alexander”, marschierte von Polen in Gewaltmärschen die südliche Ostseeküste entlang bis nach Jütland, und in einer für unmöglich gehaltenen Aktion überquerte er, beraten von seinem leitenden Ingenieur Erik Dahlberg, im Angesicht der feindlichen Streitkräfte Anfang Februar 1658 mit einer Armee von 12.000 Mann samt Artillerie das Eis der zugefrorenen Meerengen, den Großen und den Kleinen Belt, und zog geradewegs auf Kopenhagen. Fredrik III. bat ohne weitere Gegenwehr völlig verschreckt um Frieden. Im Vertrag von Roskilde mußte er auf seine südschwedischen Provinzen Skåne und Blekinge, auf das norwegische Bohuslän und Trondheim sowie seine letzte Ostseeinsel Bornholm verzichten.
Zwei Jahre später starb der erst siebenunddreißigjährige Karl X. an einer Lungenentzündung (und den Folgen seiner ewigen Völlerei) und hinterließ einen erst vierjährigen Erben, sodaß es erneut zu einer langjährigen Vormundschaftsregierung der führenden Adelsgeschlechter im schwedischen Reichsrat kam, die sich für ihre Mühen reichlich am Krongut schadlos hielten. Kronovall erwarb 1668 der fünfzigjährige Gustav Banér aus dem Geschlecht des überragenden Oberbefehlshabers der schwedischen Heere im Dreißigjährigen Krieg, Johan Banér (der 1641 seiner Schrumpfleber zum Opfer gefallen war). Auch Gustav Banér war Soldat und hatte an Karls X. Dänemarkfeldzug teilgenommen. 1664 hatte ihn die Vormundschaftsregierung zum Generalgouverneur der Schweden zugeschlagenen dänischen Provinzen Skåne, Blekinge und Halland ernannt, doch als der junge König Karl XI. daran ging, entfremdetes Krongut in den sogenannten Reduktionen wieder einzuziehen, verlor Banér u.a. Kronovall und lebte auf seine alten Tage vom Vermögen seiner Schwiegermutter Maria Sophia de la Gardie.
Banérs Tochter Ebba Margarete erhielt das Schloß später zurück und verkaufte es 1718. Durch mehrere Hände gelangte es schließlich in den Besitz des letzten Zweigs der alten Adelsfamilie Sparre. Da kinderlos, wandelte der letzte Graf seinen Besitz in eine Stiftung um, die das Schloß seit 1996 an den Schaumweinfabrikanten Åkesson verpachtet hat. Schlösser, Adel und Schaumwein - wie gut sie zusammenpassen wußte natürlich ein Thomas Mann. Ich hatte den Adelsbrief so gut wie in der Tasche, freut sich sein hochstaplerischer Sohn des dicken Schaumweinfabrikanten Engelbert Krull, der bei seinen Sektflaschen auf das Äußere so ein ungemeines Gewicht legte.
Ein Schwedensommer wohl war‘s, ähnlich dem, den er später in Schloß Gripsholm beschrieb. Doch jetzt ist der letzte Tag im Jahr, und wir fahren langsam durch die Buchenwälder um Schloß Kronovall. In französischem Spätbarock prangt es da zwischen den hohen, schlanken Stämmen hervor, seit es der Architekt von Stockholms Nordiska museet, Isak Gustaf Clason, nach 1890 einem umfangreichen Facelifting unterziehen durfte.
Seine Geschichte aber reicht zurück bis in die Zeit, als sich Schweden anschickte, Dänemark die Vormachtstellung in der Ostsee streitig zu machen. Im Kalmarkrieg von 1611-13, den Christian IV. in der irrigen Annahme vom Zaun brach, mit Schweden unter einem todkranken König bzw. dessen minderjährigem Sohn leichtes Spiel zu haben, trat der gerade erst achtzehn gewordene und frisch gekrönte Gustav II. Adolf Anfang Februar 1612 mit einem Heer von 3000 Mann zum Gegenstoß an, fiel in einem Plünderungsfeldzug durch die Grenzprovinz Småland in Skåne ein und ließ mehr als zwei Dutzend Dörfer, Güter und Herrensitze in Flammen aufgehen.
Nach dem Frieden von Knäred im folgenden Jahr kaufte der aus schottischem Hochadel stammende Anders Sinclair etliche der zerstörten Besitzungen auf. 1615 ernannte ihn der dänische König zum Kommandeur des Skåne-Regiments und zu seinem Statthalter über die Provinz und die Insel Bornholm. Als solcher ließ sich Sinclair mehrere Schlösser errichten, darunter Kronovall. Mit seinem Sohn Christen starb das Geschlecht jedoch aus, und Kronovall fiel an Falk Lykke auf Skovgaard, den Kommandanten der dänischen Grenzfeste Christianopel. Dieses 1599 als erste planmäßige Renaissancestadt des Nordens gegründete winzige Örtchen mit heute 80 Einwohnern verfügt noch immer über ansehnliche Reste seiner ehemals neun Meter hohe und drei Kilometer lange Stadtmauer mit Bastionen.
Schweden stieg durch seine langjährige siegreiche Teilnahme am Dreißigjährigen Krieg zur europäischen Großmacht auf und schaffte es, die dänische Umklammerung endgültig zu sprengen. Nach dem dänisch-schwedischen Krieg von 1643-45 erhielt es von Dänemark die bis dahin norwegischen Provinzen Jämtland und Härjedalen, Halland an seiner Westküste und die Ostseeinseln Ösel und Gotland. Als es glaubte, den mit Rußland im Krieg stehenden polnischen König Johann II. Wasa militärisch zum Verzicht auf seine Erbansprüche in Schweden zwingen zu können, eröffnete Fredrik III. von Dänemark einen Revanchekrieg gegen die schwedischen Gebiete in Norddeutschland.
Doch Karl X., auch genannt “der nordische Alexander”, marschierte von Polen in Gewaltmärschen die südliche Ostseeküste entlang bis nach Jütland, und in einer für unmöglich gehaltenen Aktion überquerte er, beraten von seinem leitenden Ingenieur Erik Dahlberg, im Angesicht der feindlichen Streitkräfte Anfang Februar 1658 mit einer Armee von 12.000 Mann samt Artillerie das Eis der zugefrorenen Meerengen, den Großen und den Kleinen Belt, und zog geradewegs auf Kopenhagen. Fredrik III. bat ohne weitere Gegenwehr völlig verschreckt um Frieden. Im Vertrag von Roskilde mußte er auf seine südschwedischen Provinzen Skåne und Blekinge, auf das norwegische Bohuslän und Trondheim sowie seine letzte Ostseeinsel Bornholm verzichten.
Zwei Jahre später starb der erst siebenunddreißigjährige Karl X. an einer Lungenentzündung (und den Folgen seiner ewigen Völlerei) und hinterließ einen erst vierjährigen Erben, sodaß es erneut zu einer langjährigen Vormundschaftsregierung der führenden Adelsgeschlechter im schwedischen Reichsrat kam, die sich für ihre Mühen reichlich am Krongut schadlos hielten. Kronovall erwarb 1668 der fünfzigjährige Gustav Banér aus dem Geschlecht des überragenden Oberbefehlshabers der schwedischen Heere im Dreißigjährigen Krieg, Johan Banér (der 1641 seiner Schrumpfleber zum Opfer gefallen war). Auch Gustav Banér war Soldat und hatte an Karls X. Dänemarkfeldzug teilgenommen. 1664 hatte ihn die Vormundschaftsregierung zum Generalgouverneur der Schweden zugeschlagenen dänischen Provinzen Skåne, Blekinge und Halland ernannt, doch als der junge König Karl XI. daran ging, entfremdetes Krongut in den sogenannten Reduktionen wieder einzuziehen, verlor Banér u.a. Kronovall und lebte auf seine alten Tage vom Vermögen seiner Schwiegermutter Maria Sophia de la Gardie.
Banérs Tochter Ebba Margarete erhielt das Schloß später zurück und verkaufte es 1718. Durch mehrere Hände gelangte es schließlich in den Besitz des letzten Zweigs der alten Adelsfamilie Sparre. Da kinderlos, wandelte der letzte Graf seinen Besitz in eine Stiftung um, die das Schloß seit 1996 an den Schaumweinfabrikanten Åkesson verpachtet hat. Schlösser, Adel und Schaumwein - wie gut sie zusammenpassen wußte natürlich ein Thomas Mann. Ich hatte den Adelsbrief so gut wie in der Tasche, freut sich sein hochstaplerischer Sohn des dicken Schaumweinfabrikanten Engelbert Krull, der bei seinen Sektflaschen auf das Äußere so ein ungemeines Gewicht legte.
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