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Mittwoch, 7. Januar 2009
Tucholsky in Skåne
»Manchmal, wenn ich der Ostsee den Rücken wende, der alten Frau, sehe ich in das schwedische Land Schonen hinein, die Ostsee plätschert, ich guck gar nicht hin. Denn wir sind verheiratet, seit ... zig Jahren – wir kennen uns, lieben uns, haben uns ganz leicht über, gehen mitunter ein bißchen auseinander, betrügen uns (ich sie mit der Nordsee, sie mich mit der Literatur auf Hiddensee –) – vor mir liegt Schonen. Ein hübsches Land; hier, wo ich sitze und meins in die Schreibmaschine klappere, ist es leicht gewellt und gar nicht so ›flach wie ein Eierkuchen‹«, klapperte Kurt Tucholsky im Sommer 1928 in seine Schreibmaschine, um wiedermal ein Feuilleton zu füllen und etwas Geld zu verdienen für seine Schwedenurlaube auf dem Lande, die er dann noch während seines Aufenthalts verriet, indem er über sein “Heimweh nach den großen Städten” schrieb. Dabei wurde der “aufgehörte Deutsche” ja auch in Berlin seines “Lebens nicht froh” und ging dauerhaft zurück nach Schweden. “Ich habe mit diesem Land, dessen Sprache ich so wenig wie möglich spreche, nichts mehr zu schaffen. Möge es verrecken”, schrieb er über Deutschland in seinem letzten Brief an den emigrierten Arnold Zweig fünf Tage vor seinem Tod. Am 21. Dezember 1935 starb Kurt Tucholsky an einer Überdosis Schlaftabletten.

Den Sommer ‘28 hatte er in Kivik verbracht, an der sonnigen Ostküste Schonens, dem Österlen.
Achtzig Jahre später erwachen wir auf Skåneslätten, der an der Oberfläche leicht gewellten Ebene aus fetter Ackererde. Es ist kurz nach Weihnachten, Winter, jeder trockene Halm von einem leise klirrenden Mäntelchen aus weißen Frostkristallen umhüllt. Die Äcker liegen bloß, lehmbraun, vom Reif nur dünn überpudert. Ihr Boden wurde wie in jedem Jahr aufgebrochen, umgepflügt, eingesät, abgeerntet und wieder gepflügt. Wie seit Jahrtausenden. Jawohl, seit Jahrtausenden. Die Steine, die im Lauf dieser Zeit nach oben wanderten, dem Licht entgegen, wurden vom Pflug aus der Erde gehoben und von den Bauern Generation für Generation zu Hügeln aufgeworfen oder an den Feldrainen zu Trockenmauern geschichtet. Nicht alles befindet sich über der Erde. Vieles deckt sie, nicht nur verstreute Steine oder sinnleere Steinhaufen, sondern auch solche, die von Menschenhand in schwerer, mühevoller Arbeit zusammengetragen und aufgeschichtet wurden. Manche richteten die Menschen vor Urzeiten so auf, daß sie mit ihrer Hilfe wiederkehrende astronomische Ereignisse prognostizieren und bestimmen konnten. Andere erhielten in ihrem Innersten eine Kammer, in deren Schutz sie geachtete Persönlichkeiten mit kostbaren Beigaben beisetzten. Das größte (kreisrunde) Steinhügelgrab des Nordens hat einen Durchmesser von 75 Metern und war vielleicht einmal mehr als 10 Meter hoch. Es liegt da, wo Tucholsky im Sommer ‘28 Sonnenbäder nahm und anschließend “seins in die Maschine klapperte”, in Kivik am Fuß des markanten, fast 100 Meter hohen Stenshuvud.

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