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Donnerstag, 27. November 2008
Last helicopter out of Reykjavík
...und zurück blieb ein ruiniertes, von diesen Nadelstreifenstrauchdieben des frühen 21. Jahrhunderts um seine Ersparnisse betrogenes Volk.
Es brauchte einige Wochen, bis die Isländer aus ihrer Betäubung zu erwachen begannen. Dann gingen die ersten auf die Straße, zuerst wenige, inzwischen Tausende. Nach dem Vorbild der Leipziger Montagsdemonstrationen werden seit sieben Wochen jeden Samstag auf dem Platz vor dem Parlament Kundgebungen abgehalten. Als die regierende Clique mit der gewohnten Arroganz der Macht bloß Stillhalteparolen ausgab und weiterhin an ihren Sesseln klebte, wurde aus der Menge tatsächlich 1 Ei geworfen. “Ein einziges Ei. So verdammt angepaßt und verklemmt sind wir”, schrieb mir ein befreundeter Schriftsteller aus Island wütend. “Aus Angst, uns lächerlich zu machen, trauen wir uns nicht, unsere Wut rauszulassen.”
Aber das sollte sich ändern.
Was bis dahin geschehen war, resümierte der nicht nur in Island für sein freches Schandmaul bekannte Schriftsteller Hallgrimur Helgason in seinem Blog und forderte den Rücktritt der Regierung:
“Wir haben niemals gescheite Geschäftsleute gehabt, in tausend Jahren nicht, und erst recht niemanden, der in anderen Ländern irgendwelche Siege errang. Fünfhundert Jahre lang haben uns dänische Kaufleute unterdrückt. Erst um die Wende zum 20. Jahrhundert durfte Island die langersehnte Handelsfreiheit feiern. Da kamen die Kälber aus dem Stall gelaufen und hopsten schnaubend ungelenk über die offene Weide. Mit Reife war es natürlich nicht weit her, und so kam es, wie es kommen mußte. Ein sieben Jahre alter Aktienmarkt verhielt sich, wie sich ein Siebenjähriger eben aufführt: Die ersten Firmen, die wir im Ausland aufkauften, waren englische Süßigkeiten- und Spielwarenläden. Danach investierten wir in Rennautos... Hoffentlich lernen wir aus dieser Erfahrung. Und werden erwachsen.
Am Morgen des 29. September wurden wir früh geweckt. Glitnir war verstaatlicht. Und zu den schlechten Nachrichten über den Bankenbankrott kam noch die unglaubliche Tatsache, daß Davíð immer noch im Amt war. Dabei hatte der Notenbankchef sich einfach über den Ministerpräsidenten hinweggesetzt. Geir hockte irgendwo in einer Ecke, als Davíð die Übernahme von Glitnir bekanntgab. Die Regierung war entmachtet worden. Die Richtigkeit dieser Maßnahme konnten wir nicht beurteilen, aber es machte schon wütend, daß der Oberrambo der Sandkastenspiele der letzten Jahre seine Widersacher nun einfach geschluckt hatte. Es kostete ihn keine Woche, sondern bloß ein einziges Wochenende, um sie “in die Knie zu zwingen” (wie er einmal angekündigt hatte). In einer Republik war ich eingeschlafen und in einer Monarchie aufgewacht. Man versuchte dem Ministerpräsidenten Dampf zu machen, aber es zeigte sich immer deutlicher, daß er eher selbst zurücktreten als seinen Boss schassen würde. Denn das würde die Partei spalten, und die Zukunft der konservativen Partei ist diesen Männern wichtiger als die Zukunft des Landes. Darum müssen sie zurücktreten.

Jetzt erkennen wir, daß die ökonomische Expansion der letzten Jahre mehr mit dem Ego ihrer Leithämmel zu tun hatte als mit echten Erfolgen, dem Auf- und Ausbau des Landes. Ihre Hinterlassenschaften sind erbärmlich. Kein einziges starkes Unternehmen, das etwas produziert, kein Werk von Menschenhand, keine anständige Infrastruktur. Lediglich eine nicht einmal halb fertiggestellte Konzerthalle, ein paar Betonklötze auf Borgartún und ein paar Dutzend Luxusautos, die das Stadtbild zieren. Wir möchten alle laut losbrüllen, aber bis jetzt haben wir überwiegend an uns gehalten. Wir möchten alle etwas tun, und jetzt ist die Gelegenheit dazu. Wir können damit anfangen, uns heute um 15 Uhr auf dem Austurvöllur zu versammeln und zu fordern, dass die Regierenden etwas anderes sagen als: ‛Das ist eine gute Frage.' Der Rücktritt von Geir und Davíð ist ein unumgänglicher Beginn für das, was danach kommen soll. Danach hören wir uns das Heulen und Zähnefletschen der Reichen an. Und dann krempeln wir die Ärmel auf und bauen eine neue und gerechtere Gesellschaft.”

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