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Mittwoch, 9. Juli 2008
Hoge Veluwe und Kröller-Müller Museum
Es war eine dieser Klatschblattgeschichten: In der Hochkonjunktur der Gründerzeit, als im Kohle- und Stahlrevier an der Ruhr alle Schlote rauchten, macht ein Fabrikant und Händler in Eisen, Erz und Stahl ein Vermögen und steigt zum Großindustriellen mit einem Imperium im In- und Ausland auf. "Gestatten, Müller. Wilhelm Müller, vormals Essen-Horst, jetzt Düsseldorf."

Im zarten Alter von 18 begegnet die einzige Tochter im Büro ihres Vaters zufällig dem attraktiven jüngsten Bruder von dessen Geschäftsführer in den Niederlanden. Ein Jahr später wird geheiratet, und der junge Mann rückt in die Konzernspitze auf, wo er die Geschäftstätigkeit erfolgreich auf den Überseehandel mit Erzen und amerikanischem Weizen ausdehnt und das Familienvermögen dadurch noch beträchtlich vergrößert. In seiner Freizeit ist der Schwiegersohn passionierter Jäger, die Firmenerbin und Frau Gemahlin sammelt statt Jagdtrophäen lieber Kunst. Binnen weniger Jahre kauft sie u.a. die weltweit größte private Sammlung von Gemälden van Goghs zusammen.

Auf einer Italienreise nach Florenz kommt ihr angesichts der Villa Medici ein Gedanke: Was diese Tuchhändler und Geldverleiher am Ausgang des pestgeschüttelten Mittelalters zuwege brachten, muss doch in unserer großartigen Zeit und mit unseren Mitteln erst recht möglich sein. Zurück in den Niederlanden lässt sie den deutschen Stararchitekten und Designer Peter Behrens antanzen, der als Erfinder von “Corporate design” in Berlin für die AEG tätig ist und u.a. auch die kaiserliche deutsche Botschaft in Sankt Petersburg baut. Frau Helene aber überzeugen seine Pläne für ihr Museum nicht, und Behrens muss am vorgesehen Bauplatz noch ein Modell aus Holz und Leinwand in Originalgröße errichten lassen. Ergebnis: Der Herr Stararchitekt darf seine Entwürfe einrollen und sich gehaben. An seiner Statt darf er einen seiner Lehrlinge vorbeischicken, Ludwig Mies, der erst zwei Häuser gebaut hat und sich seines geschäftschädigenden Namens wegen später Mies van der Rohe nennen wird. Wieder wird auf dem Bauplatz ein Modell gezimmert, wieder rümpft die kapriziöse Frau Helene die Nase. Inzwischen hat sie schon wieder eine andere Idee. Ihr Gatte hat für sein Hobby ein bisschen Land erworben, reichlich 6000 Hektar Wald und ein paar Höfe in einem der letzten Naturareale der Niederlande, der Hoge Veluwe. Dort darf der holländische Architekt HP Berlage ganz nach seinen Vorstellungen ein bescheidenes Jagdschlösschen für den Jagdherrn bauen. Zu seiner neuen Sachlichkeit, der sich später einmal das wunderschöne Gemeentemuseum in Den Haag verdanken wird, hat Hubertus, pardon, Hendrik Berlage noch nicht gefunden, und so errichtet er auf dem Grundriss eines Hirschgeweihs ein symbolistisches Gothicmonster, dessen Scheitelpunkt von einem extrem langhalsigen Turm überragt wird: Het Jachthuis Sint Hubertus.
Da seiner Fertigstellung leider dieser lästige Erste Weltkrieg dazwischenkommt, soll der inzwischen von der Firma angestellte Berlage seine Arbeitszeit wenigstens nutzen, um endlich ein passendes Museum für die immer noch wachsende Kunstsammlung der Chefin zu bauen, die inzwischen mehr als 10.000 Objekte umfasst.

Doch es kommt, wie es kommen muss; als er der offenbar etwas zickigen Millionärin seine Entwürfe vorlegt, fliegt er. An seiner Stelle engagiert sie den gerade aus Weimar und Deutschland gemobbten Henry van de Velde. Der Gründer der Weimarer Kunstgewerbeschule hat nicht nur viel Ärger mit seinem Großherzog und dessen immer noch erzkonservativen Ratgebern hinter sich, sondern kennt natürlich auch das Schicksal seiner Vorgänger und weiß, dass er sich Mühe geben muss, um den Ansprüchen seiner neuen Auftraggeberin genügen zu können.
Jahre zeichnet und radiert der Belgier, und diesmal fällt der Entwurf ganz zum Pläsier von Mevrouw aus. Aber als der Bau endlich begonnen wird, sind die Zeiten schlechter geworden. Nachdem das Fundament gelegt ist, ist Feierabend. Der Familie Kröller-Müller geht das Erz aus. Van de Velde hinterlässt noch Entwürfe für eine Sparausgabe seines Museumsbaus und muss gehen. Was davon tatsächlich ausgeführt und später z.B. noch um einen Skulpturenpark erweitert wurde, ist im Zusammenspiel mit der umgebenden Landschaft so ziemlich das Schönste, was ich überhaupt bisher in den Niederlanden gesehen habe.

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