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Montag, 7. Dezember 2015

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Freitag, 4. Dezember 2015
Sterneküche in Bargfeld
Auf diesem Herd hat Alice Schmidt ihrem Göttergatten das Essen bereitet, wenn es nicht von Frau Knop vorgekocht mitgebracht wurde. Der alte Backofix auf der noch älteren ausrangierten Munitionskiste in der winzigen Küche läßt vermuten, welch raffinierte Feinschmeckergerichte im Haus des Schriftstellers serviert wurden. Wenn er sich einmal etwas richtig Ausgefallenes und Erlesenes wünschen durfte, träumte er von „Spaghetti mit Tomatensoße” und Sägemehl mit Parmesangeschmack.
Damit soll der Besuch in Bargfeld besser sein Bewenden haben, sollen keine weiteren Details aus dem Leben der Schmidts hier ausgebreitet werden. De mortuis nihil nisi bene. Besonders in Berücksichtigung dessen, was der Meister einmal selbst über Seinesgleichen geschrieben hat:

«Der Künstler hat nur die Wahl, ob er als Mensch existieren will oder als Werk; im zweiten Fall besieht man sich den defekten Rest besser nicht».

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Donnerstag, 3. Dezember 2015
Ein Stück Kuchen aufgeröstet oder Wurst warm gemacht.
Kulinarische Köstlichkeiten in Bargfeld

„Ein altes Gartentor, mannshoch, verwittertes Holz. Der Weg davor ist unbefestigt, Wasser steht, versickert nicht. Der Weg führt in die Felder. Hinter dem Tor ein Gartenpfad, rechts ein kleines Haus, eher eine Hütte, mit grauen Brettern verschalt. Hier haben sie gewohnt, der Dichter Arno Schmidt und seine Frau Alice. Eine winzige Veranda, drei Korbsessel mit Armlehnen, grüne Häkelkissen. Davor, im Gras, die Näpfe für die Katzen. Eine Wasserpumpe. Das große Grundstück. Sträucher, Bäume, kurz gehaltenes Gras. Keine Blumenbeete.”

So begann am 29. April 2002 ein Feature über Arno Schmidt im NDR: "Lilli kauft Unterrock; ich Langenscheidt Italienisch-Deutsch"

Als starker Myop und fast mikroskopisch hinsehender Beobachter-Ablauscher und Schilderer seiner allernächsten Alltagsumgebung konnte Schmidt und konnten seine Texte ja schlechterdings nicht von dem kleinbürgerlichen Mief der bundesrepublikanischen Wirtschaftswunderspießigkeit unbedünstet bleiben. Sicher ist das Allermeiste davon in seinen Texten mit den spitzen Fingern ablehnender Distanznahme wiedergegeben. Oft genug hört man das ganz unverhohlene gepreßte Sprechen mit angewidert verzogenen Mundwinkeln deutlich heraus. Doch ebenso natürlich war auch Schmidt, obwohl er sich so gern als großer Unzeitgemäßer gerierte, letztlich ein Kind seiner Zeit, von ihren Vorstellungen mitgeprägt. Und wenn er eben einmal ins Schwärmen gerät: „Ein winziges Häuschen in der Heide (ach”, dann fällt einem dazu auch wieder der – nein, ich schreibe jetzt nicht „ikonische” – bezeichnende oder meinetwegen symptomatische Schlager „Ein Häuschen mit Garten” von dem nicht auszuhaltenden Willy Hagara aus dem Jahr 1955 ein, genau dem Jahr, in dem Schmidt am Steinernen Herzen, seinem „historischen Roman aus dem Jahr 1954", schrieb.

„Ein Häuschen mit Garten,
nur klein, aber mein.
Was brauch ich denn mehr,
um zufrieden zu sein?

Eines Tages zieh ich ein,
in das Häuschen, schön und klein,
und mein Schatz wird sich dann freun,
immer bei mir zu sein...”

Deutsche Schlagerpoesie anno 1955. Das in Griffweite auf seinem Schreibtisch stehende Nordmende-Kofferradio legt nahe, daß Schmidt auch dieses Medium als Materialquelle nutzte. Noch am Anfang seines Spätwerks Abend mit Goldrand gellt es: „Du bist alles für mich, denn ich liebe nur Dich: Micaé-là-a-a”. – Zwanzig Jahre später war der deutsche Schlager keinen Deut besser geworden. Und die Schmidts lebten noch immer so geizig-bescheiden wie viele durch den Krieg und die Mangeljahre der Nachkriegszeit Geprägte ihrer Generation.

„Bei Schmidts gab‘s immer Nescafe oder Maxwell. Wenn ich kam, gab‘s Filterkaffee, das war für sie das höchste. Aber selbst hat sie sich den nie gekocht", erklärte Haushälterin Erika Knop dem NDR-Team. "Und dann kam der Bäcker und dann wurde Kuchen gekauft und dann gab‘s in der Woche noch ein Stück davon, das wurde dann aufgeröstet oder ein Brötchen getoastet oder Wurst warm gemacht, dann setzte er sich meistens dazu.”

Arno Schmidts Schreibtisch in Bargfeld

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Dienstag, 1. Dezember 2015
Was schert sie ihre zutiefste Überzeugung von gestern?

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Sonntag, 29. November 2015
Gartentor mit Dunstband und Kiefernborte

Leinölgelb nannte Schmidt mehrmals die obligatorische Farbe deutscher Ortsschilder, und Leinölgelb ist die Grundfarbe der Zürcher Kassette mit dem erzählerischen Werk Schmidts in acht Bänden aus dem Jahr 1985, also sechs Jahre nach seinem Tod erschienen. Den achten und letzten Band ziert ein Foto des Schmidtschen Gartentors. Daran gelehnt hat er - selten - Besucher empfangen, in Wellblechfrisur und Wellblechhosen und auf diesen hölzernen Gesundheitsklapperlatschen, die man in den Sechzigern trug. Heute sieht das Tor, mit Kette und Vorhängeschloß gesichert, so aus, als sei es auf ewig verschlossen. Irgendwie paßt das zu ihm und hätte ihm womöglich gefallen.
Kurz bevor er hinzog hat er in einem kleinen Radiobeitrag für den Südwestfunk seinen Lebenstraum („wenn man Geld hätte”) skizziert:

„Ein winziges Häuschen in der Heide (achttausend höchstens; nicht wie diese Bausparkassen...); im Ställchen eine Isetta; Eintausend erlesene Bücher... nichts mehr ums liebe Brot schreiben zu brauchen, keine ‘experimentelle’ Prosa mehr, keine feinsinnigen ‘Essays’, keine ‘Nachtprogramme’; an Uhren werden nur die lautlosen geduldet, die mit Sand und Sonne... Den Mond untergehen sehen, über Wieseneinsamkeiten, ganz rot würde das silberne Wesen geworden sein, wenn es einsank in Dunstband und Kiefernborte”.

(Schulausflug, gesendet am 23.10.1958, einen Monat vor dem Umzug nach Bargfeld).

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Mittwoch, 25. November 2015
Die Bargfelder Kulisse
Kurz noch einmal zurück nach Bargfeld. Die Sicherheitsvorkehrungen am Schmidtschen Anwesen dienten dem Vernehmen nach besonders zur Abschreckung und Fernhaltung unliebsamer Besucher wie Journalisten der Lokal- oder auch überregionalen Presse und von Lesern wie uns. Die Rauschenbachs, Nachlaßverwalter in der im Nachbarhaus untergebrachten Arno-Schmidt-Stiftung, erzählen, das Wort „Leser” habe in Alice Schmidts Mund immer einen besonders abfälligen Geschmack gehabt, wenn sie wieder einmal gemeldet habe: „Da stehen schon wieder Leser vor dem Tor.”

Ich dachte immer, er sei der schroff abweisende „Solipsist in der Heide” gewesen, aber das Ehepaar Rauschenbach meint, für die meisten Abschottungsvorrichtungen und -maßnahmen habe in Wahrheit Alice Schmidt gesorgt. Das zu schützende Objekt ihrer Fürsorge sei hingegen öfter ganz zugänglich und sogar zu Gesprächen mit Besuchern über den Gartenzaun aufgelegt gewesen. Heute wäre das kaum noch möglich; das kleine holzverkleidete und hellgrau gestrichene Häuschen ist hinter Bäumen, Büschen und Hecken eingewachsen wie ein Dornröschenschloß. So war das zu Schmidts Lebzeiten lange nicht, aber er selbst hat die meisten Bäume mit genau diesem Ziel gepflanzt. Doch jenseits des Zauns war er vor allem daran interessiert, daß ihm die Aussicht in die ländlich-naturnahe Kulisse nie verbaut würde. Aus dem Grund hat er später von einem seiner Preisgelder das noch unbebaute Nachbargrundstück hinzugekauft und es als naturbelassene Wiese mit einigen lichten Birken, Fichten und Wacholdern umstellt. Die Letzteren liebte er besonders: „Wachholderholz: ganz leicht, aber natür’ch zähe, zähe müßt ma noch ma sein” (Die Wasserstraße).

„Wer sich kein Haus kaufen kann – und Wer vermag das schon; es sei denn, er wäre kühn wie Caesar im Schuldenmachen [...] der mietet sich 1 Baräckchen in der Heide. »Auf 99 Jahre; wie weiland Kiau-Tschou.«
Folglich hatten wir gemeinsam [...] 2 hannoversche Morgen in diesem Sinne dauerhaft gepachtet. Für einen Spottpreis übrigens, da es sich um ‘Ödland’ handelte – Bauern verstehen ja nichts von Natur & deren Schönheit. Ich hatte noch zusätzlich 50 Mark pro Jahr draufgelegt, unter der Bedingung, daß ‘die Kulisse’ nicht verändert werden dürfte; (die würden sich noch mal wundern, die Herren Landwirte, was sie, die ganze ‘Realgemeinde’, damit so unterschrieben hatten!)”
(Kühe in Halbtrauer)

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Montag, 23. November 2015
Christliche Losung (waidmännisch)

Übers Wochenende Besuch von einer guten Freundin aus Amsterdam. Obwohl spät im November, kein Laub mehr an den Bäumen und dünne Schneegriesel in der Luft, die aus den Höhen des Reinhardswalds passend ein kaltes, aber bilderbuchschönes Märchenland machen, drehen wir auch mit ihr unsere unfehlbare Bezauberungsrunde durchs Weserbergland, über die kleine Straße von Löwenhagen die Nieme hinab nach Bursfelde an der Weser. Still erheben sich die Doppeltürme der alten Abtei über dem ebenso stillen Fluß. Kein Pilgerunwesen im Gange, und natürlich haben wir unsere Besuchszeit außerhalb aller denkbaren Adorations- und Niederwerfungszeiten gewählt. Es ist der letzte Sonntag des Kirchenjahrs, und seine Losung lautet sinnig:

Welch profundes Apostelwort! Ich erschauere und denke, das wäre bei Arno unweigerlich im Zettelkasten für christliche Schlafzimmervorschriften gelandet.

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